Europäisches Institut für Stillen und Laktation

ABM-Protokoll Nr. 6 aktualisiert: Stillen und gemeinsames Schlafen

Anlage zum Newsletter Januar 2020

Bedsharing and Breastfeeding: The Academy of Breastfeeding Medicine Protocol #6, Revision 2019
Peter S. Blair, Helen L. Ball, James J. McKenna, Lori Feldman-Winter, Kathleen A. Marinelli, Melissa C. Bartick, the Academy of Breastfeeding Medicine et al. Breastfeeding Medicine, Volume 15, Number 1, 2020. DOI: https://doi.org/10.1089/bfm.2019.29144.psb

Die Academy of Breastfeeding Medicine (ABM) veröffentlicht eine Reihe an Protokollen, die als Handlungsempfehlungen den aktuellen Stand der Evidenzen zu einem bestimmten Thema zusammenfassen und international als vorbildlich gelten. Sie können Hilfestellung zur Erstellung von nationalen Leitlinien und lokalen Standards geben und werden regelmäßig aktualisiert.

Das Protokoll Nr. 6 beschäftigt sich mit dem gemeinsamen Schlafen von Eltern und Babys. In früheren Versionen wurde dies noch Co-Sleeping genannt, in den letzten Jahren hat es jedoch eine Reihe an Entwicklungen auf diesem Gebiet gegeben, weshalb heute klarer unterschieden wird zwischen gemeinsamem Schlafen im selben Raum (aber in getrennten Betten) und gemeinsamem Schlafen im selben Bett, was als Bedsharing bezeichnet wird.

Gemeinsames Schlafen in einem Bett wurde einige Zeit als gefährlich erachtet und man verband damit ein erhöhtes SIDS-Risiko für das Baby. Allerdings hat die Forschung der letzten Jahre zeigen können, dass dies in einer solch schlichten Kausalität (Bedsharing = erhöhtes Risiko) nicht haltbar ist. Es kommt vielmehr auf die Umstände an, unter denen das gemeinsame Schlafen stattfindet und welche weiteren Risikofaktoren dabei zum Tragen kommen.
Die aktuelle Forschung zeigt, dass geplantes gemeinsames Schlafen unter sicheren Bedingungen für ein Stillkind kein erhöhtes Risiko für SIDS darstellt. Insbesondere das Stillen ist unabhängig vom Schlafplatz ein bedeutsamer Schutzfaktor, gleichzeitig zeigen Studien, dass gemeinsames Schlafen das erfolgreiche und längere ausschließliche Stillen fördert. Im englischen Sprachraum gibt es in der Zwischenzeit einen eigenständigen Begriff für diese Verknüpfung: "Breastsleeping" drückt aus, dass es für das nächtliche Stillen ganz natürlich und sinnvoll ist, dass Mutter und Kind in unmittelbarer Nähe zueinander schlafen und häufige nächtliche Stillmahlzeiten im Halbschlaf von Mutter und Kind stattfinden. Die dadurch entstehende leichtere Erweckbarkeit des Babys, das nicht so tief schläft, schützt zugleich auch vor SIDS.

Das aktualisierte ABM-Protokoll geht intensiv darauf ein, dass in den vergangenen Jahren ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat: statt Eltern strikt dazu anzuweisen, nicht gemeinsam mit ihrem Kind zu schlafen, ist es deutlich sinnvoller, mit Eltern differenziert und individuell zu besprechen, wie ihre Schlafsituation sich darstellt, welche Möglichkeiten es gibt und wie sie das gemeinsame Schlafen so sicher wie möglich gestalten können.
Strikte Verbote führen nicht dazu, dass Eltern niemals gemeinsam mit ihren Kindern schlafen, wie die Forschung zeigen konnte, sondern eher dazu, dass dies unbeabsichtigt passiert und aus Scham nicht darüber gesprochen werden kann. Dies erhöht die Gefahr, dass vermeidbare Risikofaktoren nicht ausreichend erkannt oder übergangen werden, weil man ja vermeintlich sowieso "so gut wie nie" gemeinsam schläft, was dann in der Realität zu einer unsicheren Schlafumgebung führen kann.

Immer klarer wird außerdem, welch bedeutsame Rolle eine strikte Nichtraucher-Umgebung für die SIDS-Prävention hat und dass bei rauchenden Eltern oder anderen Betreuungspersonen eine Reihe an zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen sinnvoll sind (z.B. sollte das Kind nach Möglichkeit niemals direkt neben einem rauchenden Erwachsenen schlafen und es sollten sich keine Kleidungsstücke von Rauchern im Schlafzimmer befinden). Bereits während der Schwangerschaft sollte die werdende Mutter weder selbst rauchen noch sollte sie Passivrauchen ausgesetzt sein.

Ein weiterer wichtiger Faktor zur Risikovermeidung ist der Schlafort: ungeplantes gemeinsames Schlafen findet häufig auf einem Sofa, in einem Sessel o.ä. statt, wo Eltern mit dem Kind auf dem Arm einnicken, teilweise WEIL sie vermeiden wollten, sich gemeinsam in ein Bett zu legen. Sinnvoller ist es daher, eine sichere Schlafumgebung mit einer festen Matratze und ohne Kissen/ Nestchen/ Schnüre usw. zu schaffen, wo Eltern und Kind gemeinsam Platz finden. Beistell-Betten können ein gute Lösung für Familien sein, in denen das Elternbett nicht genügend Platz bietet oder wo der Schutz vor dem Herausfallen nicht anders sichergestellt werden kann.

Das aktualisierte ABM-Protokoll (englisch) ist → hier vollständig verfügbar.

Ergänzend zu diesem Thema empfehlen wir Ihnen unsere → Fachseite "Sicherer Babyschlaf", wo Sie eine Vielzahl an weiteren Artikeln und Studien finden.

© Januar 2020, Anja Bier (IBCLC) für den Newsletter des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation

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