Europäisches Institut für Stillen und Laktation

Zahngesundheit und Stillen

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Letzte Aktualisierung dieser Seite: 4/2021

Präventionsprogramme zeigen Wirkung

In den vergangenen Jahrzehnten hat es etliche gesellschaftliche Anstrengungen gegeben, die Zahngesundheit der Bevölkerung zu verbessern. Präventionsprogramme, z.B. zu einer gesunden Ernährung, die schon in der frühen Kindheit einsetzen, sowie ein gesteigertes Bewusstsein für die Wichtigkeit einer guten Zahnpflege haben dazu geführt, dass in den letzten 30 Jahren die Zahngesundheit von Kindern und Jugendlichen in den deutschsprachigen Ländern um ein Vielfaches gestiegen ist. Heutige Jugendliche in Deutschland haben im Schnitt nur noch 0,7 kariöse Zähne gegenüber 7 kariösen Zähnen in den 1980er Jahren.

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Schwangerschaft und Stillen haben Einfluss

Nach und nach rückt der frühkindliche Lebensabschnitt als prägender Faktor stärker in unser Bewusstsein, je mehr Erkenntnisse aus der Forschung darauf hindeuten, dass schon im Mutterleib und in den allerersten Monaten entscheidende Weichen für unsere lebenslange Gesundheit gestellt werden. Bedeutsam für die Zahngesundheit ist daher zum Beispiel bereits die Anlage des Kiefers und des Zahnschmelzes im Mutterleib. Für Paare, die eine Schwangerschaft planen, ist eine gründliche Zahnsanierung äußerst empfehlenswert, um das Übertragungsrisiko für schädliche Keime und ein ungesundes Mund-Microbiom nach der Geburt des Kindes zu minimieren.

In Studien der letzten Jahre konnte gezeigt werden, dass das Stillen eines Säuglings dosisabhängig zu einem geringeren Risiko für Zahnfehlstellungen und auch zu einer Verringerung des Karies-Risikos beiträgt. Der letzte Punkt gilt für gestillte Kinder unter einem Jahr als gesichert, für gestillte Kleinkinder jedoch gibt es widersprüchliche Ergebnisse. Wir haben auf dieser Seite verschiedene Quellen für Sie zusammengestellt, die zu den genannten Erkenntnissen weitere Informationen liefern.

Informationsmaterial aus der zahnärztlichen Fachwelt

Die Zahnärztekammer Nordrhein berichtete 2011 von einem Kongress der relevanten deutschen Fachgesellschaften und hält einige Kernaussagen fest: "Auch der Lactosegehalt der Muttermilch ist kein Risikofaktor für Early Childhood Caries (ECC), einen Zusammenhang gebe es nur in sogenannten zivilisierten Völkern durch sehr frühzeitige, den Eltern oft unbewusste Zuckerbelastung des Kindermunds. Daher ist gezielte Aufklärung für Eltern der richtige Weg."

Auf dem VELB/ILCA-Kongress in Basel 2010 hielt Frau Dr. Vera Hüttemann, Zahnärztin aus Bühlerland, einen Vortrag zum Thema. Eine Zusammenfassung davon finden Sie im folgenden Dokument:

Zahnfehlstellungen

Stillen fördert in besonderer Weise die Kiefer- und Mundmuskulatur, baut einen normalen Tonus auf und trägt somit auch zur gesunden Sprachentwicklung bei. Mehrere Studien der letzten 15 Jahre konnten eine dosisabhängige Wirkung zeigen: je länger gestillt wird, umso stärker der schützende Effekt vor Zahnfehlstellungen.

Die bisher umfassendste Meta-Analyse zu diesem Thema stammt aus der Sonderausgabe der Fachzeitschrift Acta Paediatrica, die sich im November 2015 mit dem Stillen beschäftigte. Die Analyse umfasste über 40 Studien mit insgesamt über 27.000 Teilnehmern. Die Kernaussagen lauten:
"Zahnfehlstellungen treten bei nicht-gestillten Kindern häufiger auf als bei gestillten Kindern. Ausschließliches Stillen wirkt sich positiv auf verschiedene Fehlstellungen aus. Längeres Stillen hat einen präventiven Effekt gegenüber Zahnfehlstellungen, unabhängig vom Typ der Fehlstellung." (Übersetzung: A. Bier)

Eine kurz zuvor erschienene Studie aus Hong Kong konnte nicht mehr in die Meta-Analyse der Acta Paediatrica eingeschlossen werden, bestätigte aber die Ergebnisse. Wir berichteten in unserer Kategorie "Neues aus der Forschung" im Mai 2015 über diese Studie:

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Im Zusammenhang mit Zahnfehlstellungen wird auch immer wieder über den möglichen Einsatz eines Schnullers diskutiert. Manche Experten plädieren eher dafür, das Kind am Daumen lutschen zu lassen, andere sehen im Schnuller weniger Gefahren. Zu diesen und anderen Auswirkungen des Schnullers können Sie weiterlesen auf unserer Fachseite:

Karies

Karies ist im Grunde eine Zivilisationskrankheit, die erst spät in der Menschheitsgeschichte erstmals auftrat. Über Jahrtausende hinweg gab es keine Karieserkrankungen, wie archäologische Schädelfunde und -analysen zeigen. Auch bei Säugetieren, die in freier Wildbahn leben, ist Karies nahezu unbekannt.

Wir wissen heute, dass Karies durch Bakterien verursacht wird und dass es sowohl anlagebedingte als auch vom Lebensstil abhängige Faktoren gibt, die das Wachstum dieser Bakterien und die Auswirkungen, die es auf den Zahnschmelz hat, beeinflussen. Wie auch in anderen Körperregionen gibt es im Mundbereich ein individuelles Microbiom, das durch unseren Lebensstil geprägt und beeinflusst wird. Um ein gesundes Microbiom herzustellen (und somit das Risiko der Übertragung einer ungünstigen Zusammensetzung von Mikroorganismen an das Kind zu minimieren), sollten beide Eltern möglichst noch vor Geburt eine umfassende Zahnsanierung durchführen.

Eine schlechte Zahnpflege und der Konsum von zuckerhaltigen Getränken und Lebensmitteln sind die Hauptauslöser für kariöse Schädigungen am Zahn, was in vielen Studien nachgewiesen wurde. Die wichtigste Maßnahme zur Karies-Prophylaxe ist daher eine konsequente und gründliche Zahnpflege vom ersten Zahn an, sowie eine starke Begrenzung des Konsums von gesüßten Getränken und Süßigkeiten. Eltern nehmen hier eine Vorbildfunktion ein und sollten ihre eigene Zahnhygiene und ihr Trink-/Essverhalten überprüfen.

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Wissenschaftliche Zusammenhänge zwischen Stillen und Karies

In den späten 1970er Jahren veröffenlichten Wissenschaftler erste Studien zu diesem Thema, bei denen sie aus Befragungen von Müttern den Schluss zogen, Muttermilch sei kariogen, also kariesauslösend. Diese sehr schwach gestützten Studien, die aus wenigen Fallbeschreibungen bestanden, legten den Grundstein für die auch heute noch von vielen Fachleuten vertretene Meinung, nächtliches Stillen sei ebenso problematisch zu sehen wie das nächtliche Nuckeln an einer Flasche mit womöglich gesüßten Getränken (was tatsächlich nachweislich zu einem massiv erhöhten Karies-Risiko führt, wie zwischenzeitlich mehrfach gezeigt wurde).

Seither konnte durch mehrere Studien nachgewiesen werden, dass Muttermilch entgegen der ursprünglichen Annahmen sogar das Karies-Risiko verringert, da Muttermilch antibakterielle Wirkstoffe enthält und zudem den Zahnschmelz remineralisieren kann, selbst wenn er schon leicht angegriffen sein sollte. Insbesondere das ausschließliche Stillen im ersten Lebenshalbjahr trägt zu einer starken Risikoverringerung für Karies bei. Diese Ergebnisse gelten uneingeschränkt jedoch nur für Säuglinge unter einem Jahr.

Für gestillte Kleinkinder gibt es hingegen widersprüchliche Studienergebnisse. Es scheint, als ob insbesondere das ausgedehnte nächtliche Stillen bei einem Kleinkind mit ungünstiger Veranlagung das Karies-Risiko erhöhen kann. Studien zu dieser Frage mangelt es jedoch bisher oft am Studiendesign: nicht immer wird klar, in welchem Umfang das Kind noch stillt, was es ansonsten zu sich nimmt, ob es nachts noch weitere Getränke außer Muttermilch erhält und wie gründlich die Zahnpflege betrieben wird. Daher bleibt abzuwarten, was die Forschung zu diesem Thema künftig erbringen wird.

Die aktuellste Meta-Analyse zum Thema "Stillen und Karies" stammt aus der Sonderausgabe STILLEN der Acta Paediatrica 2015, über die wir in der Kategorie "Neues aus der Forschung" im November 2015 berichteten.

Aus anthropologischer Sicht ist es sehr unwahrscheinlich, dass längeres Stillen Karies begünstigt, da die Menschheit Jahrtausende lang auch Kleinkinder gestillt hat, ohne dass es zu einem solchen Effekt gekommen wäre. Dr. Brian Palmer aus den USA hat dazu Daten gesammelt und einige sehr interessante Vorträge gehalten. Im Folgenden finden Sie zwei Beispiele solcher Präsentationen:

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    Fotolia / Ramona Heim

Vertiefende Informationsquellen

Als Hilfestellung für die Praxis möchten wir Ihnen eine bemerkenswerte Facharbeit zur Verfügung stellen, die Kathrin Plattner, Kinderkrankenschwester aus Südtirol, im Rahmen der Seminarreihe Intensiv „Qualifikation zur Still- und Laktationsberaterin“ verfasst hat. Sie fasst die Grundlagen zur kindlichen Karies übersichtlich zusammen und setzt sich mit den gängigen Vorurteilen auseinander.
Wir bedanken uns herzlich für die Zustimmung zur Veröffentlichung ihrer Arbeit.

Regine Gresens, Hebamme und IBCLC aus Hamburg, hat auf ihrer Webseite eine interessante Link-Sammlung zum Thema:

Die Webseite der Australian Breastfeeding Association hat dem Thema "Stillen und Karies" eine eigene Fachseite mit Informationen und Links zu anderen Quellen gewidmet:

Die IBCLC Philippa Pearson-Glaze aus Großbritannien hat auf ihrer Webseite ebenfalls eine umfassende Sammlung von hilfreichen Informationen und Links zu diesem Thema:

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