Europäisches Institut für Stillen und Laktation

ABM-Protokoll Nr. 15 überarbeitet: Anästhesie der stillenden Mutter

Anlage zum Newsletter September 2017

ABM Clinical Protocol #15: Analgesia and Anesthesia for the Breastfeeding Mother, Revised 2017.
Sarah Reece-Stremtan, Matilde Campos, Lauren Kokajko and The Academy of Breastfeeding Medicine. Breastfeeding Medicine, Vol.12, N. 9, 2017. DOI: 10.1089/bfm.2017.29054.srt

Immer wieder erleben wir in der Beratung, dass stillenden Frauen, die sich einer Operation oder einer Schmerzbehandlung unterziehen müssen, zum Abstillen geraten wird. Das Protokoll Nr. 15 der Academy of Breastfeeding Medicine (ABM) beschäftigt sich mit Schmerztherapie und Anästhesie der stillenden Mutter und wurde aktuell und turnusgemäß überarbeitet, um neue Evidenzen einfließen zu lassen.
Die Protokolle der ABM gelten weltweit als Standard für medizinisch sinnvolle, den aktuellen Erkenntnissen angemessene Vorgehensweisen bei stillenden Frauen und Stillkindern.

Auch in der Zeit unmittelbar um die Geburt gibt es Gründe, warum für eine (werdende) Mutter Schmerzmittel oder eine Anästhesie notwendig werden können. Das Protokoll Nr. 15 schließt grundsätzlich auch diese Fälle ein, verweist aber darauf, dass für die peripartale Betreuung von stillenden Müttern in Kürze noch ein eigenständiges Protokoll (Nr. 28) veröffentlicht wird.

Die grundlegenden Empfehlungen der vergangenen Jahre haben sich auch in der aktualisierten Version des Protokolls nicht geändert: bei reifgeborenen, gesunden Neugeborenen oder Stillkindern außerhalb der Neugeborenen-Phase kann die Mutter nach einer Allgemeinanästhesie das Kind stillen, sobald sie wieder wach und stabil ist. Auch der kurzzeitige Einsatz von Opioiden bei der stillenden Mutter gilt als sicher und erfordert keine Einschränkungen.

Lokale Anästhetika können sicher eingesetzt werden und erfordern keine Einschränkung des Stillens.

Für länger andauernde Operationen sollte zur Vermeidung eines Milchstaus dafür gesorgt werden, dass die Mutter kurz vor dem Eingriff noch stillt oder Milch abpumpt und sobald als möglich nach der Operation entweder stillt oder erneut mit Hilfe einer Pumpe oder von Hand ihre Brust entleeren kann. Ein verlässlicher Zeitplan für Eingriffe an stillenden Müttern sollte eine hohe Priorität genießen.

Das Protokoll listet im Folgenden detailliert verschiedene Analgetika und Anästhetika auf und gibt Tipps zur Planung für die Zeit vor, während und nach der Operation.

Einige ABM-Protokolle werden auch auf deutsch übersetzt, daher ist es möglich, dass in einiger Zeit eine solche Übersetzung zur Verfügung steht. Derzeit ist nur die englische Version → hier zugänglich.

ZUSÄTZLICHE INFORMATIONEN SPEZIELL FÜR DEN DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM:

Das Embryonaltoxikologische Institut schreibt zu Narkosen in der Stillzeit:
„Wenn die Mutter nach einer Narkose wieder in der Lage ist, ihr Kind anzulegen, darf sie stillen. Weder die pharmakokinetischen Eigenschaften der im Zusammenhang mit einer Narkose heute verwendeten Mittel noch die klinischen Erfahrungen begründen eine zusätzliche Stillpause. Dies gilt auch für die Narkose im Rahmen einer Sectio-Entbindung, bei der ohnehin der plazentar übergehende Anteil an Narkotika gegenüber der geringen Kolostrummenge quantitativ im Vordergrund steht, und für Kurznarkosen zur Nachcurretage. Lokalanästhetika bei üblicher Anwendung können in der Stillzeit verwendet werden.“
Schaefer, C.; Spielmann, H.; Vetter, K.; Weber-Schöndorfer, C: Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit. 8. Auflage. München: Elsevier (2012)

Prof. Dr. med. Norbert Rolf schreibt in einem Statement zu „Stillen und Anästhesie“:
„Bei reifen, gesunden Neugeborenen und Säuglingen ist eine frühzeitige Wiederaufnahme des Stillens nach Allgemeinanästhesien als sicher einzuschätzen. Das Verwerfen einer Stillmahlzeit aus Angst vor einer kindlichen Exposition mit Anästhetika schadet dem Kind eher (Verzicht auf Stillen, ungewohnte Alternative in Form von Ersatznahrung), als dass es nützt, respektive vor Nebenwirkungen schützt, die sehr unwahrscheinlich sind.
Prof. Dr. med. Norbert Rolf
Kath. Marienkrankenhaus GmbH
Klinik f. Anästhesiologie, Intensivmedizin u. Schmerztherapie
Chefarzt, OP-Manager
Alfredstr. 9, 22087 Hamburg

© September 2017, Anja Bier (IBCLC) für den Newsletter des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation

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