Europäisches Institut für Stillen und Laktation

Wundmanagement bei wunden Mamillen: Neue Überlegungen

Anlage zum EISL-Newsletter Oktober 2025

Das wichtigste in Kürze:

  • Lanolin zur Unterstützung einer feuchten Wundheilung im Bereich der Mamillenpflege ist Mittel der Wahl zur Prävention und zur Behandlung nicht-infizierter Wunden. Im deutschsprachigen Raum erhältliche Produkte spezifisch zu diesem Zweck unterscheiden sich im Gehalt an sogenannten „Freien Lanolin-Fettalkoholen (FLA)“
  • Die Hersteller legen dabei den Schwerpunkt auf unterschiedliche Aspekte: eine möglicherweise stärkere Allergieprävention steht einer möglichen besseren Wasserbindungsfähigkeit gegenüber. Alle Produkte der drei größten Hersteller erfüllen jedoch die Mindestanforderungen für die Bezeichnung „hypoallergen“ und enthalten zugleich ausreichend FLAs für einen feuchtigkeitsbindenden Einsatz an wunden Mamillen
  • Bei infizierten Wunden, für die wir bisher die Reinigung mit Octenisept® empfohlen haben, gibt es eine Alternative, die gegenüber Octenisept® einige Vorteile mit sich bringt: „Hypochlorige Säure (HOCl)“
  • HOCl wirkt besonders breit gegen eine Vielzahl von Erregern, kann auch Biofilme durchdringen/auflösen, fördert aktiv die Wundheilung und ist für die orale Aufnahme (z.B. durch den stillenden Säugling) sicher

LANOLIN

Bereits 2023 und 2024 haben wir darüber berichtet, warum Lanolin in der Prävention und Pflege wunder Mamillen einen sinnvollen Beitrag leistet.
Die freien Lanolin-Fettalkohole (FLA) sind dabei besonders relevant: sie sorgen einerseits für die Fähigkeit von Lanolin, Wasser zu binden und abzugeben – so dass das Prinzip der feuchten Wundheilung zur Anwendung kommen kann, bei dem das natürliche Hautmilieu ebenso vor Austrocknung wie auch vor „Durchweichen“ geschützt wird. Andererseits stellt ein hoher Gehalt von FLAs ein potentielles Allergierisiko dar, weshalb es 2023 zu Diskussionen um dieses Thema kam.
Bereits damals stellten wir klar: ein FLA-Gehalt von unter 3% wird vom Europäischen Arzneibuch als „hypoallergen“ eingestuft – was bedeutet, dass zwar „normales“ Lanolin, das man häufig in Kosmetika oder anderen topischen Präparaten findet, ein Allergierisiko darstellen kann, dass aber die speziellen Produkte, die im deutschsprachigen Raum zur Mamillenpflege angeboten werden, diesen Grenzwert einhalten. Lesen Sie dazu mehr in unserem Artikel → Lanolin als Allergierisiko? (11/2023)

Nun gibt es zwischen den drei größten Herstellern unterschiedliche Auffassungen darüber, welcher FLA-Gehalt am Sinnvollsten ist: zwei Hersteller arbeiten mit 3% FLAs, ein Hersteller mit unter 1,5%. Argumentiert wird damit, dass bei einem etwas höheren FLA-Gehalt die wasserbindenden Eigenschaften von Lanolin höher sind – wodurch der Effekt der feuchten Wundheilung besser gefördert würde. Vor allem bei stark nässenden Wunden könnte dies relevant sein, da dann überschüssige Feuchtigkeit besser abtransportiert würde.
Das Argument für einen geringeren FLA-Gehalt lautet, dass die Allergieprävention hier stärker im Vordergrund steht.

Uns sind keine Studien bekannt, die die behaupteten Eigenschaften tatsächlich in der Praxis vergleichend untersucht haben und zumindest aus den Erfahrungsberichten vieler Kolleg:innen scheint uns keines der Präparate auffällig überlegen. Aus unserer Sicht sind daher weiterhin alle drei gängigen Produkte gleichermaßen zur Behandlung von wunden Mamillen einsetzbar und sinnvoll.

Lesen Sie ergänzend und vertiefend dazu auch unser
EISL-Statement: Wundmanagement bei wunden Mamillen und der Einsatz von Lanolin (09/2024)


HYPOCHLORIGE SÄURE (HOCl)

Modernes Wundmanagement verändert sich immer wieder durch neue Erkenntnisse. Meist finden diese zunächst vor allem im Bereich der Pflege von chronischen Wunden oder im chirurgischen Bereich Anwendung, bevor sie auch auf andere Wundsituationen übertragen werden.

In der Mamillenpflege galt zuletzt: wenn eine offene Wunde Infektionszeichen zeigt, ist die Standard-Reinigung mit physiologischer Kochsalzlösung oder Wasser und Seife (s. oben, EISL-Statement Wundmanagement bei wunden Mamillen) nicht mehr ausreichend. Zur Reduktion der Keimzahl wurde daher bisher Octenisept® empfohlen.
Octenisept® steht allerdings auch in der Kritik, denn einerseits ist es nur für oberflächliche Wunden geeignet (seit 2017 gilt eine Warnung für die Verwendung von Octenisept® bei tiefen Wunden oder in Form von Injektionen) und außerdem enthält es einen Konservierungsstoff (Phenoxyethanol), der für eine orale Aufnahme (z.B. durch den gestillten Säugling) potentielle Risiken birgt.
Neuere Überlegungen raten daher dazu, beim Einsatz von Octenisept® zur Behandlung wunder Mamillen, dieses vor dem nächsten Stillen abzuwaschen (z.B. mit physiologischer Kochsalzlösung oder Wasser).

Nun gibt es schon seit einiger Zeit in der Wundpflege außerhalb der Mamillenpflege ein Umdenken: die sogennante Hypochlorige Säure (HOCl) ist auf dem Vormarsch. Eine Vielzahl von Studien belegt ihre positiven Eigenschaften:

  • HOCl wirkt äußerst breit gegen eine Vielzahl von Erregern (Bakterien, Pilze, Viren, Sporen)
  • Wirksam auch gegen Organismen, die Biofilme produzieren (z.B. Staph. Aureus und Pseudomonas aeruginosa)
  • Antiseptische Mittel wirken normalerweise bis zu einem gewissen Grad zytotoxisch – HOCl hat hier ein besseres Profil als Octenisept® und trägt zu einer besseren Zellmigration und damit zur Heilung der Wunde bei
  • Eine orale Aufnahme durch den stillenden Säugling ist unbedenklich

HOCl wird vom körpereigenen Immunsystem bei jeder Wundheilung kurzzeitig ausgeschüttet und wirkt in hoher Geschwindigkeit gegen auftretende Erreger. Allerdings ist HOCl normalerweise sehr instabil und zerfällt rasch in Kochsalz (NaCl) und Wasser (H2O). In der professionellen Wundpflege wird industriell hergestellte, stabilisierte HOCl eingesetzt.
Es ist darauf zu achten, dass es sich tatsächlich um ein möglichst reines Präparat ohne weitere Zusätze oder Konservierungsmittel handelt, das als pharmazeutisches/medizinisches Produkt zugelassen wurde. Tatsächlich ist die Herstellung von reiner, stabilisierter HOCl erst seit wenigen Jahren im industriellen Maßstab möglich, so dass die bereits seit langem bekannten positiven Effekte vor allem wegen der nicht vorhandenen Verfügbarkeit in der Praxis bisher wenig umgesetzt werden konnten.

HOCl findet bereits in einigen internationalen Empfehlungen und Leitlinien zur Behandlung von z.B. diabetischen Ulcera Erwähnung und wird sowohl im präventiven Bereich zur Desinfektion (z.B. vor Operationen) als auch im therapeutischen Bereich zur Infektionsreduktion und Wundheilungsförderung eingesetzt.

Evidenzen speziell für den Bereich der Mamillenpflege und -behandlung liegen bisher keine vor, die Entscheidung für den Einsatz von HOCl beruht also derzeit auf der Übertragung der nachgewiesenen Wirkungen in anderen Wundarealen auf die Gegebenheiten an der Mamille. Im Grundsatz wäre auch eine präventive Anwendung im Bereich der Wundreinigung (ohne Infektion) denkbar – da aber die bisherige Vorgehensweise mit physiologischer Kochsalzlösung im klinischen Bereich unkompliziert, kostengünstig und erfolgreich ist, besteht aus unserer Sicht hier zunächst kein Handlungsbedarf.

Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren auch im deutschsprachigen Raum mehr und mehr Erfahrungen mit HOCl sowohl im Wundmanagement anderer Wunden, als auch im Bereich der Mamillenpflege gesammelt werden. In jedem Fall stellt HOCl für den Anwendungsfall „infizierte wunde Mamillen“ eine empfehlenswerte Alternative zu Octenisept® dar und wird sicher nach und nach häufiger zum Einsatz kommen.

Einige interessante Studien/ Quellen zu HOCl:

→ Hypochlorous Acid: An Ideal Wound Care Agent With Powerful Microbicidal, Antibiofilm, and Wound Healing Potency (2014)

→ Topical stabilized hypochlorous acid: The future gold standard for wound care and scar management in dermatologic and plastic surgery procedures (2019)

→ Effect of Stabilized Hypochlorous Acid on Re-epithelialization and Bacterial Bioburden in Acute Wounds: A Randomized Controlled Trial in Healthy Volunteers (2022)

→ Hypochlorous acid has emerged as a potential alternative to conventional antibiotics due to its broad-spectrum antimicrobial activity (2023)

→ Antimicrobial efficacy, mode of action and in vivo use of hypochlorous acid (HOCl) for prevention or therapeutic support of infections (2023)

→ Proposal for the addition and inclusion of hypochlorous acid to the 2025 WHO Essential Medicines List in the categories of disinfection, antisepsis, and wound care: Hypochlorous Acid (HOCl) for disinfection, antisepsis, and wound care in Core Categories 15.1, 15.2, and 13 (2024)

© Oktober 2025, Natalie Groiss, IBCLC und Anja Bier, IBCLC
und das EISL-Newsletter-Team:
Rhiannon Grill, IBCLC; Simone Lehwald, IBCLC; Gabriele Nindl, IBCLC; Gudrun von der Ohe, Ärztin und IBCLC

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