Stillen fördern

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Letzte Aktualisierung dieser Seite: 6/2022
Probleme der Brust, allen voran wunde Mamillen, sind neben der Sorge um eine ausreichende Milchbildung die erstgenannten Gründe, die das Stillen erschweren und häufig zum verfrühten Abstillen führen.
Für die Behandlung und Therapie von wunden Mamillen gibt es nach wie vor wenig evidenzbasierte Empfehlungen. Verstärkte Forschung rund um dieses Thema ist dringend notwendig!
In der AWMF S3-Leitlinie „Therapie entzündlicher Brusterkrankungen in der Stillzeit“ (2013) werden evidenz- und konsensbasierte Empfehlungen gegeben, sie wird zur Zeit (06/2022) überarbeitet.
Die Leitlinie von 2013 finden Sie hier:
Diese EISL-Fachseite nimmt auf oben genannte Leitlinie Bezug, ergänzt jedoch die vorgeschlagenen Maßnahmen um weitere Erkenntnisse – vorwiegend verwendet das EISL aktuelle englischsprachige Literatur als Grundlage und bezieht sich zusätzlich auf Erfahrungen aus der Praxis.
Wunde Mamillen werden in Stadien I - IV unterteilt:
I. Schmerzen oder Irritation bei intakter Haut, Rötung, Quetschung, Ödem, Schwellung
II. Verletzung der Haut, Hämatom, Risse, oberflächliche Rhagaden
III. Verletzung der Haut bis in tiefere Schichten, blutig, tiefe Rhagaden, Blasen, Ulceration
IV. Tiefe Verletzung, Infektion, Eiter, Ablösung von Epidermis (Erosion)
(angelehnt an: Lauwers & Swisher, 2021:404)
Zur Reinigung, Pflege und Behandlung gibt es verschiedene Möglichkeiten, aus denen je nach Situation differenziert gewählt werden soll.
CAVE! Wunden sind Eintrittspforten für Keime!
Staphylococcus aureus ist der häufigste Keim auf der Haut und im Mund des Kindes.
Mastitiden sind signifikant häufiger nach dem Auftreten wunder Mamillen.
Differentialdiagnosen: Vasospasmus, Soor oder eine bakterielle Infektion können in jeder Phase der Stillzeit auftreten und ebenfalls zu wunden Mamillen führen bzw. die Heilung erschweren. Sie erfordern differenzierte Behandlung!
Lesen Sie zu diesen Themen weiter unten
Zu den verbreiteten Mythen zählt, dass ein zu langes Anlegen des Kindes zu wunden Mamillen führt. Bei einer korrekten Anlegetechnik ist jedoch keine Einschränkung der Stillzeit nötig. Eine zeitliche Begrenzung kann hingegen zu mangelhafter Milchproduktion und Gedeihstörungen beim Baby führen. Auch die Ansicht, dass hellhäutige Frauen eine Neigung zu wunden Mamillen haben, konnte wissenschaftlich nicht bestätigt werden (Lauwers & Swisher, 2021:401).
Treten wunde Mamillen auf, ist schnelle Hilfe notwendig.
Folgende Vorgehensweise wird empfohlen:
Zum Weiterlesen:
Bei offenen Verletzungen und Rhagaden ist Hygiene die erste Pflegemaßnahme! Wundreinigung nach dem Stillen ist eine Voraussetzung für eine rasche, störungsfreie Wundheilung. Die Wundabdeckung dient der Erhaltung eines feuchten natürlichen Milieus und fördert dadurch den physiologischen Heilungsvorgang.
Bei infizierten Wunden ist eine Salbe mit Wirkstoffen indiziert (Lauwers & Swisher, 2021:404; Walker, 2022:507).
Salbenmischungen (Kombination von Antimykotikum, Antibiotikum und Cortison) können die Heilung beschleunigen, da häufig Mischinfektionen auftreten.
Beispiele für mögliche Produkte:
Alle oben genannten Salben werden nach dem Stillen und anschließend an die Reinigung der Wunde mehrmals täglich (ca. 3-4x) dünn aufgetragen. Sie müssen vor dem nächsten Stillen nicht abgewaschen werden. Für das gestillte Kind sind alle Inhaltsstoffe bei kurzer Behandlungsdauer (einige Tage bis ca. 1 Woche) unbedenklich (Schäfer/Spielmann, 2012; Hale, 2019).
Cremes auf Basis von Lanolin kombiniert mit anderen Inhaltsstoffen, die vor dem Stillen abgewaschen werden müssen, sind zu wenig erforscht bezüglich kindlicher Verträglichkeit und sind daher zu vermeiden. Andere Maßnahmen – wie z. B. Johanniskrautöl, Rotlicht, Teebeutel. etc. – entsprechen nicht den aktuellen internationalenBehandlungsempfehlungen.
Eine orale Antibiose kann in Einzelfällen notwendig sein. Aufgrund von neuem Wissen über das Mikrobiom der Brustdrüse und die Veränderung durch Antibiotika-Gabe scheint ein zurückhaltender Einsatz ratsam.
Zusätzlich ist es empfehlenswert, die Ernährung der Mutter zu optimieren: Proteinzufuhr verbessern, gute Fette, Nahrungsergänzung mit LC-PUFAs (z.B. Nachtkerzenöl - Efamol), Vitamin C, Zink
Ein zu niedriger Eisenstatus der Mutter kann zudem die Wundheilung erschweren. Deshalb sollte dieser geprüft und entsprechend behandelt werden.
Bei Stillproblemen ist schnelle Hilfe durch kompetente Beratung wichtig. Häufig bringt eine Überprüfung und Verbesserung der Stillposition, des Erfassens der Brust, der Stillfrequenz oder der Dauer einer Stillepisode den entscheidenden Hinweis zur Lösung des Problems.
Vor dem Einsatz eines Stillhütchens ist zuerst zu überlegen, ob alle genannten Maßnahmen und Techniken bereits versucht worden sind. Es gilt immer noch, auch bestätigt durch neuere Studien, dass der Einsatz eines Stillhütchens nur als letztes Mittel angesehen werden sollte.
Erstmaßnahme bei schläfrigen, saugschwachen oder den Mund schlecht öffnenden Babys ist Haut-zu-Haut-Kontakt und Intuitives Stillen. Bei wunden, schmerzenden Mamillen ist das Anlegen besonders intensiv zu überprüfen, auch hier ist Intuitives Stillen meist ein guter Lösungsansatz.
Wenn ein Stillhütchen verwendet wird, bleibt das Ziel weiterhin, das Baby korrekt an der Brust der Mutter anzulegen und zu stillen sowie die Hütchen nach Möglichkeit nur vorübergehend und für kurze Zeit zu verwenden. Keinesfalls kann das routinemäßige Verteilen von Stillhütchen eine kompetente und einfühlsame Stillberatung ersetzen.
Auch beim Stillen mit Stillhütchen ist unbedingt auf die richtige Position und Anlegetechnik zu achten.
Die Mundstellung an der Brust muss absolut dem Stillen ohne Hütchen entsprechen!
Die Verwendung von Stillhütchen kurz nach der Geburt im Kreißsaal oder bereits am ersten Tag ist zu vermeiden. Bonding und Self-Attachement sind Mittel der Wahl um ein Baby, das die Brust noch nicht erfassen kann, zur Brust zu bringen. Ergänzend dazu sollte Kolostrum per Hand gewonnen und mit Spritze / Löffel verabreicht werden.
Für die korrekte Anwendung eines Stillhütchens gilt:
– Vor dem Anlegen Brustmassage, idealerweise Milchspendereflex auslösen
– Stillhütchen so aufsetzen, dass die Nase des Kindes an der offenen Seite liegt (Geruch)
– Zum Aufsetzen halb umstülpen (wie einen Sombrero) und leicht auseinander dehnen
– Dadurch gelangt mehr Brustgewebe ins Hütchen, es liegt vollflächig auf
– Das Stillhütchen mit etwas Muttermilch füllen
EISL-Empfehlung:
Um die Milchbildung beim Einsatz eines Stillhütchens gut abzusichern, ist zu Beginn 1-2x täglich zusätzliches Pumpen hilfreich, bis das Baby gut zunimmt. Falls das Baby zu schwach saugt und auch mit Hütchen nicht effektiv trinkt, ist es nötig, mehrmals täglich zusätzlich zu pumpen, um eine ausreichende Milchbildung zu etablieren. Engmaschige Gewichtskontrollen bis zur Etablierung der Milchmenge sind empfehlenswert.
Die este Präventionsmaßnahme ist und bleibt das korrektes Anlegen.
Sollten trotz aller Maßnahmen weiterhin persistierende Schmerzen an der Mamille und im Brustbereich bestehen, ist es wichtig, auch andere Diagnosen in Betracht zu ziehen.
Wunde Mamillen können in Folge von oder in Kombination mit Soor oder Vasospasmus auftreten. Auch Ekzeme oder andere Hauterkankungen können Verletzungen, Rhagaden und offene Wunden mit sich bringen. Die Behandlung muss dementsprechend angepasst werden.
Beim Vasospasmus kommt es durch eine kurzfristige Verengung der Blutgefäße in der Mamille zu einer Unterbrechung der Blutzufuhr. Dies führt zu krampfartigen, stechenden Schmerzen und zur Farbveränderung der Mamille (Weiß-, Lila oder Blaufärbung).
Der häufigste Grund ist die Über- oder Fehlbelastung des Gewebes durch inkorrektes Anlegen und Saugen des Kindes. Weitere Ursachen können eine allgemeine mütterliche Neigung zu Gefäßspasmen oder Durchblutungsstörungen (Raynaud Syndrom) sein, außerdem ein temporärer Magnesiummangel (häufig bedingt durch hohe Gaben während der Schwangerschaft und plötzliches Absetzen kurz vor oder zur Geburt). Auch das Abpumpen mit zu hohem Vakuum oder falschen Pumptrichtern kann einen Vasospasmus auslösen.
Folgeprobleme
Während der Spasmen haben die Frauen starke, stechende Schmerzen und der Milchfluss ist unterbrochen, das Kind an der Brust kann unruhig werden. Dies begünstigt die Entstehung eines Milchstaus. Liegt ein Vasospasmus in Kombination mit wunden Mamillen vor, ist die Wundheilung durch die Minderdurchblutung zusätzlich verzögert.
Therapie
Wichtigste Behandlungsmaßnahme ist die Optimierung der Anlegetechnik und des Saugens. Der Einsatz von "Wiener Brust-Donuts" entlastet und unterstützt die Durchblutung. Warme Kompressen sind ebenfalls hilfreich, außerdem kann die Einnahme von Magnesiumcitrat und zusätzlich Calciumcitrat im Verhältnis 1:2 (z.B. 400mg Magnesium + 800mg Calcium täglich) die Beschwerden lindern. Bei erfolgreicher Einnahme sollte diese im Anschluss nicht abrupt abgesetzt, sondern langsam ausgeschlichen werden.
Bei dauerhaften Problemen kann der Einsatz von Nifedipin angezeigt sein.
Betroffenen Frauen wird empfohlen gefäßverengende Substanzen zu vermeiden und auf eine gesteigerte Zufuhr von essentiellen ungesättigten Fettsäuren (z.B. Nachtkerzenöl) zu achten.
Alle Maßnahmen, die das Wohlbefinden der Mutter steigern und den Stress reduzieren, sind äußerst sinnvoll!
Soorinfektionen an der Brust können in jeder Phase der Stillzeit auftreten, sowohl die Mutter als auch das Baby können betroffen sein. Der häufigste Erreger von Pilzerkrankungen ist Candida albicans, der auch bei einem gesunden Menschen im Mundraum, Gastrointestinal- und Urogenitalbereich zu finden ist.
Anhand der aktuellen Evidenzen scheint die Diagnose "Milchgangssoor" nicht mehr haltbar zu sein (Jiménez et al, 2017; Mutschlechner et al, 2016).
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Mutter einen Soor in den Milchgängen hat, ist laut Walker (2022:504) nur dann gegeben, wenn eine Kombination von mehreren Symptomen gleichzeitig auftritt:
Glänzende und schuppige Haut von Mamille/Areola UND brennende/ stechende Schmerzen in der Brust.
Brennende/stechende Schmerzen sind vorrangig Zeichen einer subakuten Mastitis, können jedoch auch andere Ursachen wie z.B. Vasospasmus oder Mammary Constriction Syndrome haben. Bei der Diagnosestellung sind daher diese Differentialdiagnosen unbedingt mit in Betracht zu ziehen!
Zum Weiterlesen:
Sowohl die Mutter als auch das Kind müssen bei einer Soorinfektion gleichzeitig behandelt werden, auch wenn die Symptome nur bei einer Person sichtbar sind („Ping-Pong-Effekt“). Das Kind erhält den Wirkstoff als Gelform oder Suspension für den Mundbereich. Die Mutter sollte eine Salbe oder Creme mit demselben oder einem ähnlichen Wirkstoff verwenden (ILCA Core Curriculum, 2018:325). Erhältliche Wirkstoffe: Clotrimazol (z.B. Canesten® oder andere), Miconazol (z.B. Daktar®, Infectosoor® oder andere) oder Nystatin (z.B. Mykostatin® oder andere).
Zu beachten: Muttermilch sollte während einer Soorinfektion nicht eingefroren werden, da eine Re-Infektion bei späterer Verwendung der Milch möglich ist.
Zusätzliche Maßnahmen sind sinnvoll: gute Handhygiene, alle Gegenstände auskochen, die im Mund des Kindes waren (Schnuller etc.), Wäsche von Mutter und Kind möglichst heiß waschen/auskochen und Einmalstilleinlagen verwenden.
Beim Milkblister zeigt sich auf der Mamille ein weißes oder gelbliches Bläschen oder ein kleiner Pfropfen, der scheinbar den Abfluss der Milch aus einem bestimmten Areal behindert. Es handelt sich hierbei um eine Ansammlung von Zellen, Bakterienabfallprodukten und Milchkomponenten, die nach Entstehung einer Dysbiose des Brust-Mikrobioms und Verengung der Milchgänge an der Mamillenspitze sichtbar wird.
In Folge entsteht im betroffenen Areal meist ein Milchstau, welcher durch Schmerzen und tastbare Verhärtungen (typischerweise ohne Fieber) charakterisiert ist.
Das Auftreten von Milkblistern ist mit einer Erhöhung der Häufigkeit einer subakuten Mastitis assoziiert.
CAVE: Eröffnete Miklblister sind potentielle Eintrittspforten für Keime.
In den letzten Jahren hat sich unser Blick auf das Spektrum der Mastitiden erweitert und verändert: das gesunde Mikrobiom der Brust und die Folgen einer Dysbiose, bei der ein Ungleichgewicht der Besiedelung entsteht, spielen eine große Rolle für das Verständnis von Symptomen, die zu diesem Spektrum gehören.
Die subakute Mastitis, die sich durch brennende, stechende Schmerzen in der Brust äußert, ohne dabei klassische Entzündungszeichen (Rötung, Überwärmung, Fieber etc.) auszulösen, ist zunehmend von Bedeutung und liefert eine Erklärung für die früher als "Milchgangs-Soor" oder "Soormastitis" bezeichneten Beschwerden.
Zum Weiterlesen:
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