Europäisches Institut für Stillen und Laktation

Wunde Mamillen und Mamillenprobleme

Die EISL-Fachinformationen werden regelmäßig überprüft und ergänzt.
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 2/2024

Wunde Mamillen in der Stillzeit – Ein verbreitetes Problem

Probleme der Brust, allen voran wunde Mamillen, sind neben der Sorge um eine ausreichende Milchbildung die erstgenannten Gründe, die das Stillen erschweren und häufig zum verfrühten Abstillen führen. Besonders in der ersten Stillzeit führen unerwartet auftretende Probleme bei den betroffenen Müttern zu großer Unsicherheit und Frustration. Sie benötigen Anerkennung für ihre Situation, schnelle und effektive Lösungen, sowie Hilfe zur Selbsthilfe.

Für die Behandlung und Therapie von wunden Mamillen gibt es nach wie vor wenig evidenzbasierte Empfehlungen. Verstärkte Forschung rund um dieses Thema ist dringend notwendig!
In der AWMF S3-Leitlinie „Therapie entzündlicher Brusterkrankungen in der Stillzeit“ (2013) werden evidenz- und konsensbasierte Empfehlungen gegeben, sie wird zur Zeit überarbeitet.
Die Leitlinie von 2013 finden Sie hier:

Diese EISL-Fachseite nimmt auf oben genannte Leitlinie Bezug, ergänzt jedoch die vorgeschlagenen Maßnahmen um weitere Erkenntnisse – vorwiegend verwendet das EISL aktuelle englischsprachige Literatur als Grundlage und bezieht sich zusätzlich auf Erfahrungen aus der Praxis.
Wir weisen darauf hin, dass in manchen Bereichen unterschiedliche Meinungen bestehen und aktuell diskutiert werden.

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    7. Tag pp, infizierte Mamille mit daraus folgender Mastitis – © G. Nindl
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    Große, ursprünglich eingezogene Mamille – sehr wund, blutig, schmerzhaft – © G. Nindl

Prävention

  • Korrektes Anlegen und Positionieren als wichtigste Prävention!
  • Milchspendereflex auslösen (Entspannung, Brustmassage): ein guter Milchfluss reduziert die Gefahr von wunden Mamillen
  • Self Attachement und Intuitives Stillen besonders unterstützen und begleiten, wechselnde Stillpositionen, Vermeiden der Wiegenhaltung in den ersten Tagen und Wochen
  • Physiologisches Stillen: Stillen nach Bedarf des Babys, der Mutter und der Milchbildung
  • Idealerweise beendet das Baby die Stillmahlzeit/ eventuell das Vakuum mit dem kleinen Finger lösen, um das Baby von der Brust zu nehmen
  • Gutes Management der Initialen Brustdrüsenschwellung – RPS-Methode
  • Häufiges Stillen in den ersten Wochen fördern – mind. 8x, besser 10–12x oder mehr in 24 h
  • Muttermilch an der Brust trocknen lassen (kein Verreiben mit dem Finger) – pflegt, schützt und hat heilende Wirkung
  • Lanolin (hochgereinigt) kann bei erhöhter Sensibilität dünn auftragen
  • Keine Stilleinlagen in den ersten Lebenstagen (feuchtes Millieu und Druck auf die Mamille vermeiden – gut durchblutetes Gewebe wird weniger wund und ist elastischer)
  • Vermeidung von Fremdsaugern

Zu den verbreiteten Mythen zählt, dass ein zu langes Anlegen des Kindes zu wunden Mamillen führt. Bei einer korrekten Anlegetechnik ist jedoch keine Einschränkung der Stillzeit nötig. Eine zeitliche Begrenzung kann hingegen zu mangelhafter Milchproduktion und Gedeihstörungen beim Baby führen. Auch die Ansicht, dass hellhäutige Frauen eine Neigung zu wunden Mamillen haben, konnte wissenschaftlich nicht bestätigt werden (Lauwers & Swisher, 2021:401).

Auftreten und mögliche Ursachen wunder Mamillen

Mamillenprobleme treten am häufigsten im frühen Wochenbett auf mit Höhepunkt bei ca. Tag 4 bis Tag 7. Eine erhöhte Sensibilität der Mamillen scheint in den ersten Tagen postpartum normal zu sein. Allerdings ist nach wie vor nicht ganz geklärt, warum schmerzende Mamillen über die erhöhte Sensibilität hinaus zu Stillbeginn so häufig auftreten (Core Curriculum LEAARC, 2024:443; Walker, 2023:496).

  • Inkorrekte Anlegetechnik – zu wenig Brustgewebe im Mund. Nach dem Stillen ist die Mamille im Normalfall etwas verlängert, jedoch nicht verformt oder verletzt.
  • Saugen ohne Milchfluss und zu starke Kompression der Mamille ohne Entlastung
  • Lymphödem bei der Initialen Brustdrüsenschwellung
  • Nicht korrektes Saugverhalten, Saugen mit sehr hohem Vakuum
  • Abnorme Gaumenform, orale Restriktionen, Missverhältnis zwischen Größe der Mamille und Größe des Mundes
  • Besondere Mamillenformen (u.a. sehr große Mamillen)
  • Nicht korrekter Einsatz von Milchpumpen (Pumptrichter zu groß oder zu klein, zu hohes Vakuum)
  • Verwendung von zu viel Salbe / Seife oder Empfindlichkeit dagegen
  • Müdigkeit, Stress, Ernährungsdefizite, allgemeine Unsicherheit
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    Verformte Mamille nach dem Stillen – © Breastfeeding Atlas
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    Massiv verformte und verletzte sowie entzündete Mamille nach dem Stillen – © A. Bier

Auftreten wunder Mamillen in der späteren Stillzeit

  • Empfindlichkeit der Mamillen während der Menstruation oder erneuter Schwangerschaft
  • Verletzung der Mamille duch versehentliches Beißen des Kindes
  • Unachtsames Anlegen bei Kleinkindern oder Ablenkung
  • Hautirritation oder allergische Reaktion (z.B. Pflegemittel, Essensreste im Mund von Kleinkindern)

Vorgehensweise bei wunden Mamillen

  • Genaue Anamnese (aktuelle Situation, Verlaufskontrolle, Umsetzung der präventiven Maßnahmen)
  • Sanfte Brustmassage für einen besseren Milchfluss
  • Beobachtung der Stillmahlzeit und Beurteilung der Mamille vor und nach dem Stillen (verändert, abgeflacht, gequetscht)
  • Überprüfung der Anlegetechnik und der Stillhaltung – intuitives Stillen fördern
  • Stillpositionen wechseln, zuerst die Brust geben, die nicht oder weniger stark betroffen ist
  • Stillfrequenz und Stillverhalten überprüfen
  • Eine standardisierte Schmerz-Skala für die Einschätzung kann hilfreich sein
  • Einsatz eines Schmerzmittels, erste Wahl Ibuprofen
  • Überprüfen der oralen Anatomie und des Saugverhaltens des Babys, bei Bedarf entsprechende – Interventionen (zu kurzes Zungenband lösen, Zusammenarbeit mit Logopäd:innen, Osteopathie)
  • In Einzelfällen Stillpause & Pumpen bzw. Entleeren der Brust von Hand; Verabreichung der MM mit stillfreundlichen Zufütterungsmethoden (Becher, Löffel, Spritze)
  • Um das Abpumpen angenehmer zu machen, kann vor dem Abpumpen Lanolin-Salbe auf die Areola gegeben werden

Core Curriculum LEAARC, 2024:443ff, Lauwers & Swisher, 2021:401ff; Walker, 2023:495ff

Wundmanagement

Bei wunden Mamillen wird das Prinzip der "feuchten Wundbehandlung" angewendet. Das bedeutet, dass die Wunde 24h pro Tag unter Beibehaltung des natürlichen feuchten Hautmilieus und bei einer Mindesttemperatur von 28–32°C gepflegt wird. Es ist wichtig, jeglichen Druck auf die Mamille zu verhindern, damit eine ungestörte Blutzirkulation gewährleistet ist.
Bei offenen Verletzungen und Rhagaden ist die Wundreinigung nach dem Stillen die Voraussetzung für eine rasche, störungsfreie Heilung. Um eine Wundinfektion zu vermeiden, ist die Einhaltung von Hygienemaßnahmen hierbei von großer Bedeutung.

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© EISL

1. Reinigung der Wunde:

  • Wundreinigung nach dem Stillen ist eine Voraussetzung für eine rasche, störungsfreie Wundheilung
  • Die Wunde nach dem Stillen mit einer physiologischer Salzlösung beträufeln (reinigt und heilt)
  • Regelmäßiges, sanftes Reinigen mit warmen Wasser und ph-neutraler Seife

2. Pflegemaßnahmen:

  • Muttermilch nach dem Stillen auf Mamille und Areola trocknen lassen nicht mit den Fingern verreiben, Gefahr der Keimverschleppung (Lauwers & Swisher, 2021:408)
  • Wundabdeckung mit einer hochgereinigten Lanolin-Salbe. Dabei sollten ausschließlich speziell gereinigte Produkte verwendet werden, um Hautirritationen und Allergie auf Wollwachsalkohole vorzubeugen (z.B. Lansinoh®, PureLan®, ARDO GoldCream®)
  • Druck auf die Mamillen vermeiden, um eine gute Durchblutung zu gewährleisten. "Wiener Brust-Donuts" bieten einen angenehmen, saugfähigen Schutz vor weiterer Belastung der Mamille und fördern die ungestörte Durchblutung. Die Anleitung zum Nachbau stellen wir Ihnen hier zum Download zur Verfügung. Es werden auch industriell gefertigte Donuts zum Kauf angeboten.

Es gibt viele weitere Produkte, die zur Behandlung von wunden Mamillen angeboten werden. Auch in der aktuellen englischsprachigen Literatur werden unterschiedliche Salben, Cremes, Auflagen und Hausmittel genannt (Hydrogelauflagen, Multi-Mam Kompressen, Silberhütchen, medizinischer Honig, Teebeutel, Salbeipads usw.). Als EISL empfehlen wir diese Maßnahmen NICHT.

Insgesamt existieren kaum aussagekräftige Evidenzen zu Wirkung und Effizienz verschiedener Methoden. Außerdem entsprechen viele nicht den Prinzipien der feuchten Wundbehandlung unter besonderer Berücksichtigung des Stillens und der Beanspruchung der Mamillen. Eine Lasertherapie scheint die Wundheilung zu beschleunigen, ist jedoch nur in Kombination mit einer guten Stillberatung anzuwenden. Allerdings gibt es auch hierzu keine wissenschaftlich fundierten Aussagen.

3. Zusätzliche Maßnahmen bei Infektion/ schlechter Heilung:

    Bei Entzündungszeichen ist die Anwendung eines Mittels zur Wund- und Schleimhautdesinfektion obligat (z.B. Octenisept®).
    Bei infizierten Wunden ist eine Salbe mit Wirkstoffen indiziert (Lauwers & Swisher, 2021:404; Walker, 2023:507).
    Salbenmischungen (Kombination von Antimykotikum, Antibiotikum und Cortison) können die Heilung beschleunigen, da häufig Mischinfektionen auftreten.
    Beispiele für mögliche Produkte:

    • ­Decoderm tri® oder Vobaderm® mit Flupredniden (Cortison) und Miconazol (Antimykotikum mit antibakteriellen Effekte gegen Staphylokokken und Streptokokken)
    • ­Decoderm®comp Creme mit Flupredniden (Cortison) und Gentamicinsulfat (Antibiotikum)

    Diese Salben werden nach dem Stillen und nach der Reinigung der Wunde mehrmals täglich dünn aufgetragen. Sie müssen vor dem nächsten Stillen nicht abgewaschen werden. Für das Kind sind alle Inhaltsstoffe bei kurzer Behandlungsdauer unbedenklich.
    In neuerer Literatur (Core Curriculum LEAARC, 2024:444; Walker, 2023:503) wird eine topische Anwendung von reinen Glucocorticoiden, z.B. Triamcinolon 0,1% empfohlen.
    Auskunft Embryotox an das EISL (Telefonat Dezember 2023):
    Die Anwendung von Glucocorticoiden auf Brust und Mamillen ist unbedenklich, sofern es nach dem Stillen dünn und nicht öfter als 3-4x / Tag aufgetragen wird. Die Anwendungszeit wird mit ca. 7 Tagen angegeben.

    Eine orale Antibiose kann in Einzelfällen notwendig sein. Aufgrund von neuem Wissen über das Mikrobiom der Brustdrüse und die Veränderung durch Antibiotika-Gabe scheint ein zurückhaltender Einsatz ratsam.

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      Wunde Mamille über Wochen mit Infektion der ganzen Brust, zusätzlich Vasospasmus, der die Heilung erschwert – © G. Nindl
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      Gleiche Brust wie voriges Bild, Besserung nach systemischer Antibiose und lokaler Behandlung mit Mischsalbe, sowie Behandlung des Vasospasmus. Vollständige Ausheilung nach 3 Wochen – © G. Nindl

    Weitere unterstützende Maßnahmen

    • Bei lang andauernden Problemen empfehlen Lauwers und Swisher (2021:405) den Ernährungszustand der Mutter zu verbessern, einschließlich Protein, Vitamin C und Zink sowie den Eisenstatus zu überprüfen
    • Auch die Einnahme von langkettigen Fettsäuren scheinen insgesamt die Brustgesundheit zu unterstützen, insbesondere Omega3-Fettsäuren (idealerweise Fischöl, aber auch Algenöl oder Nachtkerzenöl).
    • Der Einsatz von Probiotika wird allgemein bei Brustproblemen immer mehr als therapeutische Maßnahme angesehen, auch ergänzend zu einer Antibiotika-Therapie (ABM Protocol #36, 2022). Idealerweise sind folgende Bakterienstämme enthalten: •Lactobacillus fermentum •Lactobacillus salivarius •Lactococcus lactis (Walker, 2023:526)

    Umgang mit Stillhütchen

    Bei Stillproblemen ist schnelle Hilfe durch kompetente Beratung wichtig. Häufig bringt eine Überprüfung und Verbesserung der Stillposition, des Erfassens der Brust, der Stillfrequenz oder der Dauer einer Stillepisode den entscheidenden Hinweis zur Lösung des Problems.
    Vor dem Einsatz eines Stillhütchens ist zuerst zu überlegen, ob alle genannten Maßnahmen und Techniken bereits versucht worden sind. Es gilt immer noch, auch bestätigt durch neuere Studien, dass der Einsatz eines Stillhütchens nur als letztes Mittel angesehen werden sollte.

    Erstmaßnahme bei schläfrigen, saugschwachen oder den Mund schlecht öffnenden Babys ist Haut-zu-Haut-Kontakt und Intuitives Stillen. Bei wunden, schmerzenden Mamillen ist das Anlegen besonders intensiv zu überprüfen, auch hier ist Intuitives Stillen meist ein guter Lösungsansatz.

    Wenn ein Stillhütchen verwendet wird, bleibt das Ziel weiterhin, das Baby korrekt an der Brust der Mutter anzulegen und zu stillen sowie die Hütchen nach Möglichkeit nur vorübergehend und für kurze Zeit zu verwenden. Keinesfalls kann das routinemäßige Verteilen von Stillhütchen eine kompetente und einfühlsame Stillberatung ersetzen.

    Auch beim Stillen mit Stillhütchen ist unbedingt auf die richtige Position und Anlegetechnik zu achten.
    Die Mundstellung an der Brust muss absolut dem Stillen ohne Hütchen entsprechen!
    Die Verwendung von Stillhütchen kurz nach der Geburt im Kreißsaal oder bereits am ersten Tag ist zu vermeiden. Bonding und Self-Attachement sind Mittel der Wahl um ein Baby, das die Brust noch nicht erfassen kann, zur Brust zu bringen. Ergänzend dazu sollte Kolostrum per Hand gewonnen und mit Spritze / Löffel verabreicht werden.

    Für die korrekte Anwendung eines Stillhütchens gilt:
    – Vor dem Anlegen Brustmassage, idealerweise Milchspendereflex auslösen
    – Stillhütchen so aufsetzen, dass die Nase des Kindes an der offenen Seite liegt (Geruch)
    – Zum Aufsetzen halb umstülpen (wie einen Sombrero) und leicht auseinander dehnen
    – Dadurch gelangt mehr Brustgewebe ins Hütchen, es liegt vollflächig auf
    – Das Stillhütchen mit etwas Muttermilch füllen

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      Inkorrektes Anlegen, ineffiziente Trinktechnik – © Breastfeeding Atlas, 2005
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      Korrekte Anlegetechnik, guter Sitz – © Ch. Dörr

    EISL-Empfehlung:
    Um die Milchbildung beim Einsatz eines Stillhütchens gut abzusichern, ist zu Beginn 1-2x täglich zusätzliches Pumpen hilfreich, bis das Baby gut zunimmt. Falls das Baby zu schwach saugt und auch mit Hütchen nicht effektiv trinkt, ist es nötig, mehrmals täglich zusätzlich zu pumpen, um eine ausreichende Milchbildung zu etablieren. Engmaschige Gewichtskontrollen bis zur Etablierung der Milchmenge sind empfehlenswert.

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      Hyperkeratose in der Schwangerschaft – © S.  Koch
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      Hyperplastische Mamille – © A. Bier

    Differentialdiagnosen

    Wunde Mamillen können in Folge von oder in Kombination mit einem Vasospasmus auftreten. Auch Ekzeme, Pilzinfektionen oder andere Hauterkankungen können Schmerzen und Verletzungen mit sich bringen. Die Behandlung muss dementsprechend angepasst werden.
    Einige Beschwerden werden nach heutigem Wissen als Folge einer Mammary Dysbiosis gesehen, also einem Ungleichgewicht des natürlichen Mikrobioms der Brust.
    Lesen Sie dazu mehr auf unserer Fachseite zu diesem Thema:

    Vasospasmus

    Beim Vasospasmus kommt es durch eine kurzfristige Verengung der Blutgefäße in der Mamille zu einer Unterbrechung der Blutzufuhr. Dies führt zu krampfartigen, stechenden Schmerzen und zur Farbveränderung der Mamille (Weiß-, Lila oder Blaufärbung).

    Der häufigste Grund ist die Über- oder Fehlbelastung des Gewebes durch inkorrektes Anlegen und Saugen des Kindes. Weitere Ursachen können eine allgemeine mütterliche Neigung zu Gefäßspasmen oder Durchblutungsstörungen (Raynaud Syndrom) sein, außerdem ein temporärer Magnesiummangel (häufig bedingt durch hohe Gaben während der Schwangerschaft und plötzliches Absetzen kurz vor oder zur Geburt). Auch das Abpumpen mit zu hohem Vakuum oder falschen Pumptrichtern kann einen Vasospasmus auslösen.

    Folgeprobleme
    Während der Spasmen haben die Frauen starke, stechende Schmerzen und der Milchfluss ist unterbrochen. Dies begünstigt die Entstehung eines Milchstaus. Liegt ein Vasospasmus in Kombination mit wunden Mamillen vor, ist die Wundheilung durch die Minderdurchblutung zusätzlich verzögert.

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      Differentialdiagnose Vasospasmus – © Lactamedia

    Wichtigste Behandlungsmaßnahmen

    • Optimierung der Anlegetechnik und des Saugens, ggf. Optimierung des Pumpmanagements
    • Durchblutung der Mamille fördern – Brustmassagen
    • Weglassen von Stilleinlagen, Druck auf die Mamille vermeiden
    • Warme bis heiße Kompressen vor dem Stillen auf Brust und Mamille auflegen (Bonyata, 2003) – nur bei intakter Mamille
    • Kälte- und Nässeschutz
    • Gefäßverengende Substanzen meiden
    • Magnesiumcitrat & Calciumcitrat im Verhältnis 1:2 (EISL-Empfehlung: ca. 400 mg Magnesium & 800 mg Calcium / Tag, auch als Kombinationspräparat möglich).
    • gesteigerte Zufuhr von essentiellen ungesättigten langkettigen Fettsäuren, z.B. durch Nachtkerzenöl
    • Maßnahmen, die das Wohlbefinden der Mutter steigern und den Stress reduzieren, sind äußerst sinnvoll
    • Bei anhaltender Problematik kann Nifedipine (Adalat) ärztlich Verordnet werden. Achtung: in Einzelfällen Blutdruckabfall. Dosierung: 5 - 10 mg 3x / Tag oder 30 mg 1x / Tag mit Depotwirkung (Lawrence, 2022:777; Wambach & Spencer, 2021:290; Wilson-Clay & Hoover, 2022:71)
    • Vitamin B6: 25 mg /Tag (Hale 2014, Lauwers & Swisher, 2021: 405)

    In Diskussion: Soorinfektionen

    Neue Sichtweise bei „Soorinfektionen“
    In den vergangenen Jahren wurde bei Hautproblemen an der Mamille häufig von einer Soorinfektion ausgegangen. Als Symptome wurden glänzende und/oder schuppige Haut von Mamille / Areola, brennende oder stechende Schmerzen an der Mamille oder auch in der Brust angegeben. Neuere Forschungen gehen allerdings davon aus, dass es sich dabei vorrangig um bakterielle Infektionen handelt (Betts et al., 2021; Douglas, 2021).

    Oberflächliche Soor-Infektion
    Laut Marsha Walker ist eine Diagnose einer oberflächlichen Soor-Infektion nur dann zu stellen, wenn mehrere Symptome in Kombination auftreten (Positive Predictive Value – PPV). Im Core Curriculum LEAARC (2024:450) wird eine oberflächliche Soorinfektion grundsätzlich angezweifelt.

    Wenn mehrere Zeichen und Symptome in Kombination auftreten, scheint nach Walker eine oberflächliche Soorinfektion eine Möglichkeit zu sein:

    Symptome bei der Mutter:

    • Mamillen und Areola perlmuttartig glänzend, rosa- bis pinkfarben, schuppig, rissig, mit kleinen Bläschen oder weißlichen Belägen
    • Juckreiz oder Brennen der Mamillen
    • wunde Mamillen
    • hohe Empfindlichkeit
    • Breastfeeding Atlas, Soorinfektion-klassisches Erscheinungsbild
      Klassisches Erscheinungsbild, rosa glänzende Mamille – © Breastfeeding Atlas, 2005
    • IMG_0322-Nindl
      Therapie mit Clotrimazol, Heilung innerhalb einer Woche – © G. Nindl

    Zusätzlich Symptome beim Kind:

    • Weißlicher Belag in der Wangenschleimhaut
    • Nicht abwischbarer weiß-grauer Belag auf der Zunge
    • Schlechtes Trinken (Schmerzen im Mund)
    • Am Gesäß: wunde gerötete Haut mit Pickelchen (evtl. Blutungen), hartnäckiges Wundsein
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      Soorinfektion-Zunge des Kindes, Behandlung mit Daktarin Mundgel lokal, deutliche Besserung nach 24 Stunden, symptomlos nach 14 tägiger Anwendung – © Ch. Herzog

    Wird aufgrund dieser Symptome eine oberflächliche Soorinfektion angenommen, kann lokal ein Antimykotikum (Miconazol, evtl. Clotrimazol) eingesetzt werden (Walker, 2023:504-505).
    Problematisch sind häufige Resistenzen gegen die gängigen Medikamente. Weltweit wird auch Gentianaviolet eingesetzt, es ist in Deutschland wegen seiner karzinogenen Wirkung verboten.
    Wenn allerdings diese Behandlung nach einigen Tagen keine deutliche Besserung bringt, sollte unbedingt an eine bakterielle Besiedelung von Mamille und Areola gedacht werden. Auch dabei zeigt sich häufig eine ähnliche Schmerzsymptomatik mit Stechen und Brennen.

    In einigen neuen Studien (Betts et al., 2021; Douglas, 2021) wird die Verwendung eines Antimykotikums an Mamille und Areola grundsätzlich kritisch gesehen (siehe auch Core Curriculum LEAARC 2024:450).

    Die Diagnose "Milchgangssoor" scheint laut der aktuellen Evidenzen nicht mehr haltbar zu sein (Jiménez et al., 2017; Mutschlechner et al., 2016). Brennende/stechende Schmerzen in der Brust sind vorrangig Zeichen einer subakuten Mastitis, können jedoch auch andere Ursachen wie z.B. Vasospasmus oder Mammary Constriction Syndrome haben. Bei der Diagnosestellung sind daher diese Differentialdiagnosen unbedingt mit in Betracht zu ziehen!

    Milchbläschen (Milkblister)

    Beim Milkblister zeigt sich auf der Mamille ein weißes oder gelbliches Bläschen oder ein kleiner Pfropfen, der scheinbar den Abfluss der Milch aus einem bestimmten Areal behindert. Es handelt sich hierbei um eine Ansammlung von Zellen, Bakterienabfallprodukten und Milchkomponenten, die nach Entstehung einer Dysbiose des Brust-Mikrobioms und Verengung der Milchgänge an der Mamillenspitze sichtbar wird.
    In Folge entsteht im betroffenen Areal meist ein Milchstau, welcher durch Schmerzen und tastbare Verhärtungen (typischerweise ohne Fieber) charakterisiert ist.
    Das Auftreten von Milkblistern ist mit einer Erhöhung der Häufigkeit einer subakuten Mastitis assoziiert.

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      Milkblister – © R. Merkelbach

    Therapie

    • Feucht-warme Kompressen (Wasser oder Öl) vor dem Stillen auflegen
    • Sanfte Brustmassage und Gewinnen von Muttermilch per Hand (bis Milch fließt)
    • Baby an der betroffenen Seite zuerst und häufig Anlegen
    • Stillen mit Hilfe der Schwerkraft
    • Meiden von tierischen Fetten und gefäßverengenden Wirkstoffen (Nikotin, Koffein, Teein, Salbeitee, Schokolade)
    • Lecithin zur Linderung und Vorbeugung. Dosierung: 3-4 x tgl. 1200mg (Scott, 2005; ABM-Protokoll Nr. 36, 2022) oder lokal auf die Mamille auftragen
    • In der aktuellen Literatur wird vom manuellen Öffnen oder Aufstechen eines Milkblisters abgeraten, da diese Maßnahme zu Infektionen führen kann
    • Bei rezidivierendem Auftreten kann eine cortisonhaltige Salbe aufgetragen werden (O'Hara, 2012; ABM-Protokoll Nr. 36, 2022)

    CAVE: Eröffnete Miklblister sind potentielle Eintrittspforten für Keime.

    Stillen fördern

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