Europäisches Institut für Stillen und Laktation

Der WHO-Kodex: ein weltweites Instrument zum Schutz des Stillens

Unsere Fachinformationen werden regelmäßig überprüft und ergänzt.
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 10/2025

Stillen braucht besondere Unterstützung

Durch unzählige Studien belegt und in internationalen Leitlinien und Empfehlungen regelmäßig bekräftigt: Stillen ist ein bedeutender Faktor für das sichere und gesunde Aufwachsen von Kindern. Stillen hat außerdem Auswirkungen auf die mütterliche Gesundheit und auf die Gesellschaft (Gesundheitswesen/ Kosten/ Sozialwesen etc.).
Lesen Sie mehr dazu auf unserer Fachseite:

Stillen ist aber nicht selbstverständlich. In vielen Gesellschaften
• werden Familien unzureichend über die Bedeutung und die Praxis des Stillens informiert
• sind Gesundheitspersonal und andere beratende Personen nicht ausreichend zum Stillen ausgebildet
• spielt die Babynahrungsindustrie eine große Rolle in der Öffentlichkeit (Werbung, Lobbyismus)
• werden deutlich weniger Kinder nach den WHO-Empfehlungen gestillt als mit Säuglingsnahrung gefüttert
• resultiert die fehlende Stillunterstützung in höherer Säuglingssterblichkeit und Erkrankungshäufigkeit

Auch uns, dem EISL, ist es ein großese Anliegen, unsere Arbeit Kodexkonform zu gestalten. Lesen Sie hierzu unser Statement von 2024:

Es stellt eine verbreitete Fehlannahme dar, dass dies alles nur für ärmere Länder und nicht für westliche Industrienationen gilt. Auch in Europa könnten durch höhere Stillraten nach den Empfehlungen der WHO Kinder und Mütter vor ernstzunehmenden Risiken geschützt werden und gesamtgesellschaftlich wäre eine deutliche Kostenreduzierung im Gesundheitswesen möglich. Auch der Aspekt des Klimaschutzes ist in allen Ländern der Welt diesbezüglich von großer Bedeutung.

Eine Antwort: Der WHO-Kodex – Ziele / Gesetze

Bereits 1981 erarbeiteten WHO (die Weltgesundheitsorganisation) und UNICEF (das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen) gemeinsam einen Kodex, der damals in der 34. WHA (Weltgesundheits-Versammlung) verabschiedet wurde. Dieser Internationale Kodex zur Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten wird im allgemeinen Sprachgebrauch häufig nur kurz "WHO-Kodex" genannt. Seither sind etliche Aktualisierungen und Ergänzungen erfolgt, die in zusätzlichen Resolutionen jeweils durch die WHA verabschiedet wurden.

Der Kodex enthält 11 Artikel, die schlussendlich alle demselben Ziel dienen:

"... eine sichere und angemessene Ernährung für Säuglinge und Kleinkinder sicher zu stellen, indem das Stillen gefördert und geschützt wird. [...]"


Um dieses Ziel zu erreichen, fordert der Kodex:

  • Muttermilchersatzprodukte, Flaschen und Sauger sollen nur dann angewendet werden, wenn sie medizinisch notwendig sind. Sie sollen in diesem Fall sachgemäß, mit Aufklärung und Anleitung der Eltern, eingesetzt werden
  • Verteilung und Vermarktung der Produkte soll so gestaltet sein, dass das Stillen geschützt wird und keine direkte Werbung bei Eltern/Familien erfolgt
  • Fachkräfte sollen neutral und sachgerecht informiert werden, so dass sie Eltern angemessen beraten können

Der Wirkungsbereich des Kodex umfasst Regelungen zum Inverkehrbringen von Muttermilchersatzprodukten (Säuglingsanfangs- und Folgenahrungen, Spezialnahrungen), Beikostprodukten (bis 6 Monate), Getränken (z.B. Babywasser, Babytee o.ä.), sowie Flaschen und Saugern.

Diese Regelungen enthalten detaillierte Bestimmungen in Bezug auf die:
• Information und Aufklärung über Säuglingsernährung
• Kennzeichnung und Qualität der Produkte
• Werbung für Öffentlichkeit und Familien
• Werbung im Gesundheitswesen
• Umsetzung und Überwachung des Kodex

Gesetze? Nun ja....

Der Kodex ist rechtlich gesehen leider kein bindendes Instrument – es handelt sich um Empfehlungen. Um Hersteller, Personen und andere Beteiligte auf die Einhaltung des Kodex zu verpflichten, müssen die unterzeichnenden Staaten die Inhalte des Kodex jeweils in nationale Gesetzgebungen überführen und somit z.B. auch Sanktionen bei Nicht-Einhaltung möglich machen.

In der Praxis haben jedoch viele Staaten keine oder nur Teil-Aspekte der Kodex-Inhalte in entsprechende Gesetze übertragen. Viele Hersteller nutzen "Schlupflöcher" um ihre Produkte geschickt zu vermarkten. Deshalb ist es notwendig, die gesetzlichen Grundlagen immer wieder anzupassen. War zu Beginn nur die Werbung und Kennzeichnung von Säuglings-Anfangsnahrung (also PRE- und 1er-Nahrung) reguliert, so gibt es nun zum Beispiel eine 2020 in Kraft getretene EU-Verordnung, die die Werbung für sogenannte "Spezialnahrungen" regelt. Wie zuvor bereits für PRE- und 1er-Nahrung geregelt, dürfen somit keine kostenlosen Probepäckchen dieser Nahrungen mehr abgegeben werden.

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    © N. Groiss
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    © N. Groiss

Neben gesetzlichen Regelungen spielt auch die Marktmacht der Verbraucher:innen eine wichtige Rolle. Verschiedene Non-Profit-Organisationen prüfen und dokumentieren Verstöße von Herstellern gegen den Kodex. Diese werden dann an offizielle Stellen weitergegeben und ebenfalls veröffentlicht – was insbesondere durch Social Media große Wirkung entfalten kann.

Das → International Baby Food Action Network (IBFAN) koordiniert die regionalen Aktionen und Berichte weltweit.

In Deutschland nimmt die → Nationale Stillförderung Meldungen entgegen und unterstützt Projekte zur Stillförderung.
In Österreich können Verstöße bei der → Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) gemeldet werden.
In der Schweiz werden Verstöße über die → stillförderung.ch gemeldet.

Ein lukratives Geschäftsfeld

Die Produktion und Vermarktung von Babynahrung und Zubehör ist gewinnbringend. Weltweit wächst der Markt stetig und deutlich, auch die Vorhersagen für die nächsten Jahre lassen in Summe keine Einbußen für die Industrie erwarten. Der europäische Markt ist auf wenige große Player aufgeteilt, die daher jeweils eine große Marktmacht besitzen.

Das Marktforschungsinstitut Mordor Intelligence erwartet für die Jahre 2025 - 2030 ein Wachstum von 6,21% für den europäischen Markt: → Europe Baby Food Market Size & Share Analysis - Growth Trends and Forecast (2025 - 2030)

Offiziell erklären alle großen Hersteller, den Kodex einzuhalten. In der Realität gibt es immer wieder verschiedene Verstöße und Marketing-Praktiken, die oft aufgrund der lückenhaften Gesetzgebung der Nationalstaaten nicht ausreichend sanktioniert werden können. Wir veröffentlichen bereits seit einigen Jahren in unserer Kategorie "Neues aus der Forschung" regelmäßig Artikel über die Berichte von internationalen Organisationen, die die Vermarktungs-Strategien und Verstöße gegen den Kodex kritisch beleuchten:

  • Supermarkt-Regal_NatalieGroiss
    © N. Groiss
  • © R. Grill - Quer
    © R. Grill

Der WHO-Kodex im Gesundheitswesen

Gesundheitspersonal wird von den Herstellern intensiv umworben, schließlich stellen Fachkräfte wichtige Multiplikatoren dar, denen Eltern großes Vertrauen schenken. Gratis-Kugelschreiber und Notizblöcke mit dem Logo der Babynahrungs-Firma stellen dabei nur das untere Ende der Skala dar, beliebt sind auch Uhren oder Kaffeemaschinen für Wochenstationen, Hüllen für den Mutterpass, Namensschilder für die Baby-Bettchen, Sponsoring von Fortbildungs-Veranstaltungen, Werbung in Fachzeitschriften usw.

Lesen Sie hierzu auch unseren Artikel von 2019:

Hilfreich zur Orientierung sind folgenden Dokumente und Links:

Auch Firmen, die keine Säuglingsnahrung herstellen, aber Flaschen und Sauger im Sortiment anbieten, fallen in den Wirkungsbereich des Kodex. Daher sind auch Hersteller von Stillhilfsmitteln und Pumpen unter Umständen betroffen und können für Gesundheitspersonal einen Interessenskonflikt verursachen.
Als Stillberater:innen sind wir oft verunsichert, welche Produkte welcher Hersteller wir nun verwenden oder empfehlen können. Lesen Sie dazu den folgenden Artikel in der Fachzeitschrift "Laktation und Stillen" aus der Ausgabe 2/2018:

Organisationen, die sich der Stillförderung verschrieben haben, verpflichten sich selbst, den Kodex einzuhalten und nicht mit kodexverletzenden Firmen zu kooperieren oder finanzielle Unterstützung von diesen Herstellern anzunehmen. Auch wir als Europäisches Institut für Stillen und Laktation akzeptieren seit Jahren keine entsprechenden Firmen als Werbepartner:innen oder Ausstellende auf jeglichen Veranstaltungen oder Druckmedien.

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