Der Einfluss von mütterlichem BMI und Stillen auf den BMI von Kindern
Anlage zum EISL-Newsletter Februar 2024
Maternal Pre-Pregnancy BMI, Breastfeeding, and Child BMI
Gayle M. Shipp, PhD et al.: Pediatrics (2024) 153 (1): e2023061466. https://doi.org/10.1542/peds.2023-061466
Das wichtigste in Kürze:
- Übergewicht ist ein weltweites Problem in den meisten Bevölkerungsgruppen. Dies gilt auch für Kinder.
- Übergewichtige Kinder bleiben häufig auch als Erwachsene übergewichtig, das Risiko für lebenslange chronische Erkrankungen nimmt dadurch zu.
- Bereits seit langem ist bekannt, dass Stillen grundsätzlich das Risiko für Übergewicht und Adipositas verringert, bisher war jedoch noch nicht gut untersucht, wie der Zusammenhang im Fall von übergewichtigen Müttern ist.
- Eine aktuelle Studie hat den Zusammenhang zwischen dem mütterlichen BMI (Body Mass Index), dem Stillen und dem BMI der Kinder untersucht. Es zeigt sich, dass Stillen sich positiv auf den BMI der Kinder auswirkte, auch wenn die Mutter vor der Schwangerschaft übergewichtig oder adipös war.
Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Stillen das Risiko, an Übergewicht und Adipositas im Kindesalter zu erkranken, verringert (lesen Sie dazu z.B. unseren → Artikel von 12/2023).
Kritiker argumentieren jedoch, dass diese Beziehung hauptsächlich genetische Faktoren widerspiegeln könnte, anstatt eine direkte Wirkung des Stillens selbst, da weltweit Mütter mit einem hohen BMI ihre Kinder statistisch seltener und wenn, dann kürzer stillen, als normalgewichtige Frauen. Somit sind Kinder, die gestillt werden, automatisch viel häufiger Kinder von normalgewichtigen Frauen und der "Schutz des Stillens" könnte einfach an genetischen Faktoren liegen.
Eine aktuelle Studie hat die Daten aus dem US-amerikanischen Environmental Influences on Child Health Outcomes Programm (ECHO) analysiert und die Zusammenhänge zwischen dem BMI der Mutter vor der Schwangerschaft, dem Stillen und dem BMI der Kinder differenziert untersucht.
Das ECHO-Programm umfasste 69 verschiedene pädiatrische Kohorten in den USA, bei denen die Auswirkungen frühkindlicher Expositionen auf die prä-, peri- und postnatale Entwicklung, auf Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege, auf Adipositas, auf die Neuroentwicklung und auf die Gesundheit untersucht werden sollten.
Für die Studie zum BMI und Stillen analysierten die Forscher die Daten von 8 134 Dyaden und erfassten den BMI der Mutter vor der Schwangerschaft, die Fütterung des Säuglings und den BMI der Kinder im Alter zwischen 2 und 6 Jahren.
Mehrere Kovariablen wurden einbezogen, wie das Geschlecht des Kindes, die Bildung der Mutter, das Alter der Mutter, der Gebrauch von Nikotinprodukten und die ethnische Zugehörigkeit der Mutter.
Vor der Schwangerschaft waren 2,5% der Mütter untergewichtig, 45,8% hatten ein gesundes Gewicht, 26% waren übergewichtig und 25,6% waren adipös.
Nach Bereinigung um die oben genannten Kovariablen stellten die Autoren fest, dass jegliches Stillen – ob ausschließlich oder nicht – über einen Zeitraum von sechs Monaten mit einem niedrigeren BMI bei Kindern verbunden war, deren Mütter vor der Schwangerschaft ein gesundes, übergewichtiges oder adipöses Gewicht aufwiesen.
Die Beziehung war dosisabhängig: jeder zusätzliche Monat jeglichen Stillens, führte bei adipösen Müttern zu einer Reduktion des kindlichen BMI. Es wurde errechnet, dass bei Kindern von adipösen Frauen 6 Monate ausschließliches Stillen zu einer Verringerung des kindlichen BMI um 0,15 Standardabweichungen im Alter von 6 Jahren führen würde.
Diese Studie zeichnet sich durch eine einzigartig große Kohorte aus, die es den Forschern ermöglichte, die Beziehung zwischen drei Schlüsselfaktoren gründlich zu bewerten:
- dem mütterlichen BMI vor der Schwangerschaft
- der Dauer des Stillens
- dem BMI der Kinder im Alter von 2 - 6 Jahren
Wichtig ist, dass auch andere Variablen berücksichtigt wurden, von denen bekannt ist, dass sie den BMI von Müttern und Kindern, sowie die Stilldauer beeinflussen.
Erstmals wurden auch vor der Schwangerschaft untergewichtige Mütter genauer untersucht. Es zeigte sich, dass Kinder dieser Mütter kürzer gestillt werden als die Kinder von normalgewichtigen Müttern.
Die Ergebnisse der Studie werden durch eine → europäische Studie der WHO gestützt, die 2019 veröffentlicht wurde und Kinder aus 22 Ländern untersuchte. Auch dort wurde festgestellt, dass Stillen über einen Zeitraum von 6 Monaten Kinder vor Übergewicht schützt.
Das Abstract der Studie (englisch) können Sie → hier nachlesen.
Ergänzender Kommentar des EISL
Dass übergewichtige Frauen schwerer in die Laktation kommen und seltener und kürzer stillen ist schon länger bekannt. Im übrigen gilt dies auch für untergewichtige Frauen.
Da gerade für die Kinder von übergewichtigen und adipösen Frauen das Stillen eine noch größere gesundheitliche Wichtigkeit hat als für Kinder von normalgewichtigen Frauen, sollten Frauen außerhalb des Normalgewichts schon vor oder während einer Schwangerschaft zur besonderen Bedeutung des Stillens für ihr Kind informiert werden.
Übergewichtige Frauen beginnen aufgrund der verminderten Selbstwirksamkeit und Scham seltener mit dem Stillen, zusätzlich sind relative Insulinresistenz, Schilddrüsenerkrankungen und hormonelle Faktoren (z.B. PCO) oft mit verantwortlich für eine erschwerte Milchbildung. Wenn dies den betreuenden Fachpersonen bewusst ist, können auch übergewichtige Frauen besser zum Stillen, vor allem in den ersten Tagen und Wochen, unterstützt werden.
© Februar 2024, Gudrun von der Ohe, Ärztin und IBCLC
und das EISL-Newsletter-Team:
Anja Bier, IBCLC; Rhiannon Grill, IBCLC; Natalie Groiss, IBCLC; Simone Lehwald, IBCLC; Gabriele Nindl, IBCLC