Stillende Mütter profitieren im Alter von positiven Effekten auf ihre kognitiven Fähigkeiten
Anlage zum EISL-Newsletter November 2021
Women who breastfeed exhibit cognitive benefits after age 50
Fox M, Siddarth P, Oughli HA, Nguyen SA, Milillo MM, Aguilar Y, Ercoli L, Lavretsky H. Evol Med Public Health. 2021 Oct 1;9(1):322-331. DOI: 10.1093/emph/eoab027
Das wichtigste in Kürze:
- Frauen im Alter von über 50 Jahren, die in ihrem Leben jemals ein oder mehrere Kinder gestillt hatten, zeigen bessere Leistungen in den Bereichen Lernen, Verarbeitungsgeschwindigkeit und Merkfähigkeit
- Besonders deutlich ist der Effekt bei Frauen, bei denen keine Depression diagnostiziert wurde, aber auch Frauen mit Depressionen profitieren davon, jemals gestillt zu haben
- Die Autoren der Studie konstatieren, dass das Stillen für die Mutter eine physiologisch, psychologisch und verhaltensmäßig transformative Erfahrung in ihrem Leben ist, die bisher unterschätzt wurde.
Dass Stillen positive Auswirkungen auf die kindliche Gesundheit und Entwicklung hat, ist bereits hinlänglich bekannt und wird auch regelmäßig durch weitere Forschungsergebnisse untermauert.
Die Bedeutung des Stillens für die mütterliche Gesundheit rückt erst in den letzten Jahren mehr und mehr in den Fokus der Forschung. Eine jüngst veröffentlichte kalifornische Studie , die sich aus den Basisdaten zweier randomisierter Studien zusammensetzt, beschäftigte sich mit den Zusammenhängen zwischen der reproduktiven Lebensgeschichte von Frauen (Menarche, Schwangerschaften, Geburten, Stillen und Menopause) und der kognitiven Leistungsfähigkeit im Alter über 50 Jahre.
Die geistige Gesundheit ist ein wesentlicher Bestandteil des Wohlbefinden im Laufe des Lebens. Einbußen in der geistigen Leistungsfähigkeit über 50 können die ersten Anzeichen einer Alzheimer Demenz sein, eine der häufigsten Demenzformen im Alter. Die beiden Studien, aus denen sich die aktuelle Querschnittstudie zusammensetzt, beschäftigten sich aus diesem Grund mit möglichen präventiven Maßnahmen für Frauen :
Aufgenommen wurden die Daten aus der ‘Brain Connectivity and Response to Tai Chi in Geriatric Depression’ Studie (dort wurden Probandinnen aufgenommen, welche unter Depressionen litten, n=64) und der ‘Reducing Risk for Alzheimer’s Disease in High Risk Women through Yoga or Memory Training’ Studie (die Probandinnen litten nicht unter einer Depression, n=51). Insgesamt wurden somit 115 Teilnehmerinnen im Alter von 50 Jahren und älter in die Analyse einbezogen.
Es zeigten sich keine Unterscheide bezüglich der Basisdaten (Alter, ethnische Herkunft, Bildung, kognitive Tests) zwischen den depressiven und nicht-depressiven Probandinnen. Auffällig hingegen war, dass in der Gruppe der nicht-depressiven Frauen alle mindestens ein Kind geboren hatten, wohingegen nur 57,8% der depressiven Frauen Kinder hatten. Außerdem hatten die nicht-depressiven Frauen im Durchschnitt mehr Kinder als die Mütter aus der depressiven Gruppe. In der Gruppe der nicht-depressiven Mütter wurde zudem in der Vergangenheit häufiger gestillt als in der Gruppe der depressiven Mütter.
Vier kognitive Bereichsanalysen wurden untersucht (allgemein geistige Fähigkeiten wie Lernfähigkeiten, Langzeitgedächtnis, ausführende Funktionen, Verarbeitungsgeschwindigkeit). Es zeigte sich allgemein eine signifikant bessere Performance in den Analysen bei Frauen, die gestillt hatten. Für depressive Frauen galt dies nur für Bereiche "ausführende Funktionen" und "Verarbeitungsgeschwindigkeit", für die Gruppe der nicht-depressiven Frauen für alle 4 Performance-Bereiche.
Schwächen der Studie sind darin zu finden, dass die derzeit rein retrospektiv und aus dem Gedächtnis erhobenen Daten zum Stillen (via Fragebögen) möglichen Erinnerungsfehlern unterliegen. Außerdem wurde nicht zwischen ausschließlichem Stillen und Teilstillen differenziert, sowie nur grob zusammenfassend untersucht, ob Frauen jemals, zwischen 1 und 12 Monaten oder länger als 12 Monate ingsesamt in ihrem Leben gestillt hatten. Auch Gründe für das Nicht-Stillen oder für ein frühes Abstillen, sowie Angaben zur Einführung der Beikost sind derzeit nicht enthalten. Künftige Studien, die im besten Fall langfristig und prospektiv angelegt sind, werden hoffentlich eines Tages diese Faktoren genauer beleuchten.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die langfristigen Effekte des Stillens auf die kognitiven Fähigkeiten der Mütter ein wichtiges und aktuell noch sehr wenig beleuchtetes Thema ist.
Die Studie (englisch) ist vollständig und kostenlos zugänglich → hier.
© November 2021, Dr. med. Josefine Theresia Königbauer (Fachärztin für Frauenheilkunde und IBCLC) und Gudrun von der Ohe (Ärztin und IBCLC)
und das EISL-Newsletter-Team: Anja Bier, IBCLC; Natalie Groiss, IBCLC; Gabriele Nindl, IBCLC