Europäisches Institut für Stillen und Laktation

Intuitives Stillen als Prävention gegen wunde Mamillen und Stillprobleme in den ersten Tagen

Anlage zum EISL-Newsletter Oktober 2021

Effectiveness of biological nurturing on early breastfeeding problems: a randomized controlled trial
M. Milinco, L. Travan, A. Cattaneo et al. International Breastfeeding Journal 15, 21 (2020). DOI: https://doi.org/10.1186/s13006-020-00261-4

The effectiveness of the laid-back position on lactation-related nipple problems and comfort: a meta-analysis
Z. Wang, Q. Liu, L. Min and X. Mao. BMC Pregnancy and Childbirth 21, 248 (2021). DOI: https://doi.org/10.1186/s12884-021-03714-8

Das wichtigste in Kürze:

  • Intuitives Stillen, im Englischen als Biological Nurturing oder Laid-back Breastfeeding bezeichnet, ist eine wirksame und einfache Stillposition, die den Stillbeginn deutlich erleichtert
  • Sowohl in einer italienischen Studie von 2020 als auch in einer chinesischen Meta-Analyse von 2021 konnte gezeigt werden, dass sich das Risiko für wunde und offene Mamillen gegenüber den klassischen Stillpositionen deutlich verringert
  • Eine gute Anleitung zum Intuitiven Stillen sollte heute Selbstverständlichkeit in jeder Einrichtung sein, die Wöchnerinnen betreut. Die Vorteile wirken sich nicht nur auf die Zufriedenheit der Mutter aus, sondern tragen auch zur Entlastung des Personals bei

Als Suzanne Colson Anfang der 90er Jahre ihre ersten Forschungen zum von ihr so benannten Biological Nurturing durchführte, war es bislang üblich, Frauen zum Stillen in der klassischen Wiegenhaltung und weiteren aufrechten Stillpositionen anzuleiten. Die Mutter übernahm die Führung des Säuglings und formte und unterstützte gleichzeitig ihre Brust.
Colsons Forschung revolutionierte diese Praxis: indem die Mutter sich bequem und gut unterstützt zurücklehnt, bietet sie dem Kind die Möglichkeit, sich auf ihrem Körper unter Einfluss der Schwerkraft vollständig "auszubreiten". Kindliche Reflexe, die das Neugeborene dabei unterstützen den Kopf zu heben, sich aktiv zur Brust hin zu bewegen und schließlich die Brust selbständig zu erfassen, können in dieser Position voll zur Entfaltung kommen. Das Kind übernimmt die Führung, die Mutter ermutigt und unterstützt es wo nötig.

Diese neue Methode vereinfacht meist nicht nur das Anlegen und ist für die Mutter bequemer, sondern es treten auch seltener Schmerzen und Stillprobleme auf. Die frühen Studien dazu hatten jedoch nur kleine Fallzahlen und wurden noch nicht nach heutigen Anforderungen durchgeführt. Daher sind aktuelle, gut konzipierte, randomisierte und kontrollierte Studien zu diesem Thema sehr willkommen.

Eine italienische Studie von 2020 mit 188 Mutter-Kind-Paaren konnte nun zeigen, dass die Anleitung zum Intuitiven Stillen das Risiko für schmerzende Mamillen um ca. 40% verringerte. Noch deutlicher war der Effekt für wunde, offene Mamillen, wo das Risiko um 60% reduziert werden konnte.
Erwähnenswert ist bei dieser Studie, dass sie an einem nach WHO/UNICEF babyfreundlich zertifizierten Klinikum durchgeführt wurde, was bedeutet, dass die "traditionell" zum Anlegen angeleitete Kontrollgruppe ebenfalls bereits grundlegend gut zum Stillen betreut wurde. Dies umfasst z.B., dass alle Frauen (Kontroll- und Interventionsgruppe gleichermaßen) unmittelbar nach der Geburt für mindestens eine Stunde im direkten Hautkontakt mit ihrem Kind verbringen und dass somit das wichtige Bonding mit Self-Attachment des Kindes im Kreißsaal bereits Standard ist.
Lesen Sie zu diesem Thema auch weiter auf unserer Fachseite
→ Bonding und Self-Attachment

Eine kürzlich veröffentlichte chinesische Meta-Analyse kam zu ähnlichen Ergebnissen wie die Studie aus Italien. Interessant ist, dass die chinesische Forschungsgruppe ausschließlich Studien aus dem asiatischen Raum einschloss, vor allem auch Ergebnisse, die nur auf Chinesisch veröffentlicht worden waren, was einen anderen Querschnitt an Studienteilnehmenden und Forschenden ergibt. In Summe zeigte sich: Intuitives Stillen reduzierte das Risiko für schmerzende Mamillen um rund 75% und für wunde, offene Mamillen um ca. 50%.

Beide Studien stehen vollständig kostenfrei zur Verfügung→ hier und → hier.

ANMERKUNGEN DES EUROPÄISCHEN INSTITUTS FÜR STILLEN UND LAKTATION

Die beiden oben vorgestellten Studien unterstreichen, was wir schon seit einigen Jahren intensiv in unseren Seminaren unterrichten: Intuitives Stillen ist Mittel der ersten Wahl in den ersten Stunden, Tagen und Wochen. Alle Fachkräfte, die mit Mutter und Kind arbeiten, sollten diese Position gut anleiten können und Mutter-Kind-Paare dabei unterstützen, sich in einer zurückgelehnten Stillposition bequem einzurichten.

Es ist allerdings nicht ausreichend, Frauen einfach nur dazu zu instruieren, sich zurückzulehnen – in etlichen Fällen wird das Stillen auf diese Weise scheitern. Eine gute Anleitung umfasst die ausreichende Unterstützung des Oberkörpers und der Arme der Mutter mit Hilfe von Kissen, sowie ein Augenmerk auf die korrekte Positionierung des Kindes zu Beginn.

Detailliertere Informationen und Beispielbilder finden Sie auf unserer Fachseite

© Oktober 2021, Anja Bier (IBCLC)
und das EISL-Newsletter-Team: Natalie Groiss, IBCLC; Gabriele Nindl, IBCLC; Gudrun von der Ohe, IBCLC

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