Europäisches Institut für Stillen und Laktation

Zufütterung und Zufütterungsmengen: stillfreundliche Methoden

Unsere Fachinformationen werden regelmäßig überprüft und ergänzt.
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 01/2023

Beim Stillen kann das Kind sein Saugverhalten selbst regulieren und entscheiden, wann es hauptsächlich nutritiv und wann eher non-nutritiv saugen möchte. Stillen dient nie allein nur der Nahrungsaufnahme, sondern ist mit Trost, Nähe, Beruhigung und Einschlafbegeitung verknüpft.
Dieses physiologische Verhalten an der Flasche nachzubilden, ist nicht einfach, da jegliches Saugen an der Flasche zu einem stetigen Milchfluss führt. Selbst Trinkpausen zwingen das Kind durch anhaltendes Tropfen der Milch und durch die Aktivierung des Saugreflexes weiterhin zu schlucken. Dadurch passiert es leicht, dass das Kind aktiv zum Weitertrinken animiert wird und somit mehr Nahrung aufgenommen wird als benötigt.
Durch die Flaschenfütterung kommt es häufig zu einem veränderten Saugverhalten. Dies kann die Entwicklung eines physiologischen Saugens an der Brust behindern, der Übergang zum ausschließlichen Stillen kann gestört werden (Core Curriculum, 2019:391f). Eine Zufütterung sollte daher idealerweise mit alternativen Methoden, das heißt ohne Verwendung einer Flasche, erfolgen. Erste Wahl ist dabei immer eine Zufütterung direkt an der Brust, parallel zum Stillen.
Darüber hinaus stehen noch andere Methoden zur Verfügung, die ebenfalls als Alternative zur Flaschenfütterung eine Möglichkeit darstellen, das Erlernen des Stillens zu erleichtern.

Wenn Sie mehr über die Begleitung von Eltern, die ihr Baby mit der Flasche füttern erfahren wollen, empfehlen wir Ihnen unsere Fachseite zu diesem Thema. Dort finden Sie auch Informationen über sinnvolle Saugerformen, praktische Tipps zur Auswahl der Nahrung und zum bindungsorientierten Flaschenfüttern:

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    © A. Bier
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    © A. Hemmelmayr

Um die Frage zu klären, wann eine Zufütterung überhaupt medizinisch notwendig ist, empfehlen wir Ihnen unsere beiden folgenden Fachseiten:

Stillfreundliche Zufütterungsmethoden

Zufütterung an der Brust

Beim Zufüttern während des Stillens wird mit jeder Zufütterung gleichzeitig das physiologische Saugen an der Brust erlernt und die Kinder werden zum ausdauernden Trinken animiert. Das Baby lernt, das Saugen an der Brust mit seinem Sättigungsgefühl zu verbinden. Zusätzlich wird mit jedem Stillvorgang die Milchbildung angeregt.
Zufütterung an der Brust ist außerdem zeitsparend, weil Stillen und Zufüttern zeitgleich stattfinden und nicht nacheinander, wie das bei der Fütterung mit einer Flasche der Fall ist.

Für die Zufütterung direkt an der Brust stehen folgende Möglichkeiten zur Verfügung:

Zufütterung mit Sonde/ Feeder

Die Zufütterung mit Sonde/Feeder eignet sich vor allem für kleine Zufütterungsmengen in den ersten Tagen und wird häufig im Klinikbereich angewendet. Die Nahrung, die zugefüttert werden soll (idealerweise von Hand gewonnenes Kolostrum) wird in Spritzen aufgezogen und dem Baby parallel zum Stillen verabreicht. Auch für gelegentliche Zufütterung von kleinen Mengen im häuslichen Bereich ist diese Methode gut geeignet.

Vor dem Anlegen wird eine möglichst dünne Magensonde so auf der Mamille aufgeklebt (hautfreundliches Pflaster), dass das Ende bündig mit der Mamillenspitze ist oder minimal darüber hinausragt.
Wenn das Baby beim Anlegen seinen Mund weit öffnet, kann die Sonde so angeklebt werden, dass sie in der Mitte der Oberlippe liegt. Hat das Baby Schwierigkeiten den Mund weit zu öffnen, so wird der Schlauch mittig zur Unterlippe angebracht (s. dazu auch: Márta Guóth-Gumberger – www.stillunterstuetzung.de/brusternaehrungsset-anlegen-regulieren).
Sobald das Kind saugt, wird von den Eltern/ Fachpersonal die Nahrung mittels Spritze langsam verabreicht. Alternativ kann das Ende der Magensonde in eine Flasche mit Nahrung gehängt werden. So findet der Milchtransfer nur während des aktiven Saugens des Kindes statt.

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    Sonde an der Brust, Ende in Flasche © R. Grill
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    Sonde an der Brust mit Spritze © R. Grill

Es gibt auch die Möglichkeit, die Sonde oder einen weichen Feeder-Aufsatz auf der Spritze erst nach dem Anlegen vorsichtig in Mundwinkel des Kindes zu schieben. Dies kann jedoch den Nachteil haben, dass das Kind das Vakuum verliert oder sich dadurch gestört fühlt und das Trinken unterbricht.
Der weiche Feeder-Aufsatz wird manchmal noch mit dem Begriff "Fingerfeeding" verknüpft – vor einigen Jahren wurde diese Technik an einigen Kliniken als Methode zur Zufütterung verwendet. Fingerfeeding sollte jedoch immer therapeutischen Situationen vorbehalten sein und nicht rein zur Zufütterung verwendet werden – lesen Sie dazu auch unser EISL-Statement zu Zufütterungsmethoden von 2019:

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    Weicher Feeder-Aufsatz mit Spritze © A. Bier

Zufütterung mit dem Brusternährungsset (BES)

Wenn eine Zufütterung regelmäßig, über einen längeren Zeitraum und/oder in größeren Mengen erforderlich ist, hat sich der Einsatz des Brusternährungssets (BES) bewährt.

Das BES ist ein praktisches Hilfsmittel, um dem Kind das Saugen an der Brust zu ermöglichen und gleichzeitig zusätzlich Nahrung für das optimale Gedeihen zu erhalten. Dabei wird nicht nur das physiologische Saugen an der Brust beibehalten, sondern Mutter und Kind können dauerhaft die vielen Vorteile des Stillens genießen.
Für die Verwendung des BES ist die Bereitschaft der Mutter/ der Eltern gleichermaßen von Bedeutung wie eine gute fachliche Begleitung. Dabei sollte der Einsatz von Eltern und Fachpersonen gemeinsam in regelmäßigen Abständen evaluiert und gegebenfalls adaptiert werden.

Für die korrekte Anwendung, praktische Handhabung und Reinigung des BES stellt unsere IBCLC-Kollegin Márta Guoth-Gumberger auf ihrer Webseite eine Vielzahl von Informationen, inklusive Videomaterial, zur Verfügung: Sowohl Fachkräfte als auch Eltern finden dort wertvolle Hinweise:

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    © R. Grill
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    © R. Grill

Wenn eine Zufütterung direkt an der Brust (vorübergehend) nicht möglich oder nicht gewünscht ist, gibt es neben der klassischen Saugerflasche noch weitere Methoden, die vor allem dann zum Einsatz kommen sollten, wenn das Stillen noch erlernt oder erhalten werden soll:

Zufütterung mit dem Löffel, Spritze, Becher oder Softcup™

Folgende Methoden sind nur als vorübergehende Lösungen gedacht sind, da weder das Saugbedürfnis befriedigt werden kann, noch das Stillen gleichzeitig geübt wird (Core Curriculum, 2019:391).
Dennoch stellen sie eine meist kostengünstige und leicht verfügbare Möglichkeit für das temporäre Zufüttern dar.

Löffel/ Spritze

Ideal für kleine Mengen Kolostrum/ Nahrung in den ersten Stunden nach der Geburt oder orale Medikamentengaben für das Baby ist die Verabreichung mit einer Spitze (ohne Aufsatz) oder dem Löffel. Kolostrum kann direkt auf den Löffel gewonnen oder mit der Spritze aufgefangen und dem Baby sofort verabreicht werden.

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    Kolostrum auf den Löffel gewonnen © N. Groiss
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    Kolostrum in der Spritze gewonnen © N. Groiss

Becher/ Softcup™

Die Becherfütterung oder der Softcup™ werden bei steigendem Milchvolumen verwendet. Sie stellen eine hilfreiche Übergangslösung bei wunden Mamillen, Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit, kurzer Überbrückung für Betreuungspersonen bei Abwesenheit der Mutter oder bei einer Verweigerung der Nahrungsaufnahme an der Brust (Zeitgewinn für die Suche nach Lösungen) dar. In Dritte-Welt-Ländern werden Becher und Löffel sehr häufig als alleinige Methode zur Zufütterung verwendet. Auch in der Schweiz findet der Becher ein großes Anwendungsfeld. Der Einsatz in Deutschland und Österreich hingegen ist noch ausbaufähig.

Bei unsachgemäßer Handhabung ist die Aspirationsgefahr ähnlich hoch wie bei der Flasche (Core Curriculum, 2019:392; Wambach & Spencer, 2021:194), die Sauerstoffsättigung der Kinder ist allerdings bei sachgemäßer Handhabung besser als bei flaschengefütterten Kindern.
Studien zeigen, dass mit der Becherfütterung schneller der Übergang zum ausschließlichen Stillen gelingt als mit demEinsatz der Flasche (Core Curriculum, 2019:391f). Deshalb sollte die Zurütterung mit dem Becher auch auf neonatologischen Stationen eingesetzt werden.

Eine gute Anleitung des Vereins "SUS – Baby, Sicher und Satt" (erhältlich in vielen verschiedenen Sprachen) zur Becherfütterung finden Sie hier:

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    Kolostrum in den Becher gewonnen © N. Groiss
  • CIMG3632 (c) Hemmelmayr - Kopie
    Becherfütterung © A. Hemmelmayr

Zufütterungsmengen

Der kindliche Magen ist zu Beginn winzig (Fassungsvermögen abhängig vom Geburtsgewicht ca. 6 – 21 ml, Walker, 2023:139) und entfaltet sich erst nach und nach. Zusätzlich zeigen viele Neugeborene in den ersten Stunden nur wenig Interesse an Mahlzeiten, vor allem wenn die Mutter unter der Geburt starke Medikamente oder große Mengen an intravenöser Flüssigkeit erhalten hat (Walker, 2023:138f).
In den ersten 10 Lebenstagen steigert sich die Trinkmenge pro Stillmahlzeit täglich um ca. 10 – 20 ml. Anschließend liegt die Tages-Gesamt-Trinkmenge bei ca. 1/5 – 1/6 des aktuellen Gewichts, wobei auch die einfache Faustregel verwendet werden kann, wonach ab ca. 3 – 4 Wochen pp der Tagesbedarf bei rund
700 – 800 ml liegt.

Gestillte Kinder variieren von Mahlzeit zu Mahlzeit den Abstand und die Portionsgröße sehr individuell.
Deshalb ist es wichtig, auch bei der Zufütterung das physiologische Trinken nach Bedarf zu ermöglichen.
Ziel sollte es sein, sowohl Trinkintervalle als auch Menge komplett individuell an das Kind anzupassen. Die häufig angestrebte Reduzierung der Mahlzeiten-Frequenz (vermeintlich ein "Fortschritt in der Entwicklung") ist kontraproduktiv und sollte daher unterbleiben – nicht selten führen solche Eingriffe in das physiologische System aus Angebot und Nachfrage zu Stillproblemen und einer zu geringen Milchproduktion.

Durchschnittliche Trinkmengen in den ersten Tagen

Trinkmengen
aus EISL-Skriptum "Flaschenfütterung", Seminarreihe INTENSIV 2022/2023

In vielen Kliniken wird rasch mit der Flasche zugefüttert, wobei in den meisten Fällen deutlich zu große Mengen angeboten werden. Insbesondere das Bereitstellen von vorgefertigten Flüssig-PRE-Nahrungen in Portionsgrößen von 60 – 90 ml oder mehr, führt ohne äußerst sorgfältige Aufklärung der Eltern zu einer deutlichen Überfütterung des Neugeborenen.

Das ABM-Protokoll Nr. 3 (Empfehlungen der Academy of Breastfeeding Medicine) in der aktualisierten Fassung von 2017 enthält folgende Passage:
"[...]Supplementation should be performed in ways that help preserve breastfeeding such as limiting the volume to what is necessary for the normal newborn physiology, avoiding teats/artificial nipples, stimulating the mother’s breasts with hand expression or pumping, and for the infant to continue to practice at the breast.[...]" (Seite 3)

Wir berichteten 2017 in unserem Bereich "Neues aus der Forschung" über die aktualisierte Fassung des Protokolls:
→ ABM-Protokoll Nr. 3 aktualisiert: Zufütterung von gesunden reifen Neugeborenen

Weiterführende Informationen:

Weitere thematisch passende Artikel und Materialien finden Sie hier:

Die umfangreiche Sukie-Studie, die 2018 - 2020 an einem Großteil der österreichischen Geburtskliniken durchgeführt wurde, ergab, dass über 40% der Neugeborenen bereits in den ersten 3 Tagen zugefüttert werden (Sectio-Kinder sogar noch häufiger), obwohl anzunehmen ist, dass dies keinesfalls in einem solchen Umfang medizinisch begründet ist. Auch andere Ergebnisse der Studie zeigen einen deutlichen Handlungsbedarf auf, was die Schulung des Personals und die strukturelle Umsetzung von aktuellem Wissen in Kliniken betrifft.

Wie kann sichergestellt werden, dass vor einer Zufütterung in den ersten Tagen das Stillmanagement und alle anderen Faktoren zunächst ausreichend ausgeschöpft wurden? Wann ist eine Zufütterung tatsächlich medizinisch notwendig?
Lesen Sie zu diesem Thema unsere ausführlichen EISL-Empfehlungen von 2019:
→  EISL-Empfehlungen zur Gewichtsentwicklung: Gedeihen eines Stillkindes

Die Fachzeitschrift Laktation & Stillen hat 2019 ein Handout von Márta Guóth-Gumberger, IBCLC zur Gewichtentwicklung veröffentlicht.
Dies ist → hier kostenfrei erhältlich.

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